Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
sein.
Ich schaue auf. Mache die Augen zu. Schaue erneut.
Es gibt keinen Unterschied zwischen dem, was ich mit offenen
und mit geschlossenen Augen sehe: kompakte Finsternis. Eine samtweiche, mich aufsaugende, schwarze Hölle. Mein Herz schlägt schneller, als ich mich vom Bett herunterbeuge und nach der Taschenlampe auf dem Boden taste. Sie ist von der soliden Sorte, riesengroß, aus schwarzem Hartgummi. Wasserdicht, übersteht wahrscheinlich Wildwasserfahrten, Gebirgstouren und Kneipenschlägereien. Ich habe sie immer neben meinem Bett liegen.
Nur jetzt nicht.
Alles, was ich ertaste, als ich mit der Hand den Boden entlangfahre, sind Staubmäuse auf den Fichtendielen. Das Zimmer ist vollkommen dunkel, was um diese Jahreszeit ungewöhnlich ist, eigentlich dringt immer ein wenig Licht von draußen herein. Ich kann den Regen auf das Eternitdach trommeln hören und in der Ferne ein unheilschwangeres Donnergrummeln. Ich denke, dass der schwüle Sommerabend jetzt also sein unvermeidliches Nachspiel in Form eines richtigen Sommergewitters bekommen hat. Nicht ungewöhnlich hier, wo ich wohne.
Gewitter am Meer, das ist schon etwas Besonderes, die Geräusche sind irgendwie verstärkt. Es gibt keinen Wald, keine Gebäude drumherum, die als Schalldämpfer dienen könnten. Stattdessen rollt das Grollen des Donners dumpf über der Wasseroberfläche hin und her wie ein schwerer Klotz auf einer Steinplatte.
Ich will die Nachttischlampe einschalten. Nichts passiert. Vielleicht ist eine Sicherung durchgebrannt? Nach langem Zögern zwinge ich mich, aus dem Bett zu steigen, und setze vorsichtig die Füße auf den abgenutzten Holzfußboden.
Ich kann nicht umhin, über mich selbst zu schmunzeln. Es ist doch absurd, die Situation ist geradezu peinlich. Eine Sicherung brennt durch, und ich werde … unfähig, unzurechnungsfähig. Verzweifelt suche ich in meinem Gedächtnis nach etwas,
an dem ich meine Gedanken aufhängen kann, eine mentale Schnur, an der ich mich festhalten kann, während ich mich langsam aus dem Bett schäle. Aber alles, was mein Bewusstsein füllt, ist nur die Musik, der ich zugehört habe, bevor ich eingeschlafen bin.
Ground control to major Tom.
Unfreiwillig erschaudere ich. In der Ferne brüllt ein Tier, und ein kalter Wind fährt mir um die Beine. Ist es irgendwo offen?
Take your protein pills and put your helmet on.
Das Haus ist still. Es ist zu still. Langsam schleiche ich über die kalten Bodendielen aus dem Schlafzimmer hinaus. Das Einzige, was ich höre, sind der Regen und dazu die Wellen, die rhythmisch an die Felsen vorm Haus schlagen, sie klingen wie die schweren Atemzüge eines riesigen Tiers.
Da.
Ein scharfer Schmerz durchzuckt mein Schienbein, pflanzt sich fort über den Schenkel hoch bis in die Leiste. Ich krümme mich. Noch ein Knall, und etwas landet mit einem dumpfen Rumpeln auf meinem großen Zeh. Was ist das? Da steht ein Stuhl mitten im Raum. Wieso steht der dort? Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn herausgezogen zu haben. Die Stühle stehen immer um den Tisch in der Küche. Und jetzt – mein Zeh -, was zum Teufel ist das nun wieder? Ich beuge mich hinunter und untersuche das Teil, das mir auf den Zeh gefallen ist.
Es ist die Taschenlampe.
Ground control to major Tom.
Ich schalte die Taschenlampe ein, während ich gleichzeitig mein Schienbein massiere, aber nichts passiert. Ist sie kaputt? Wieder spüre ich die kalte Nachtluft, die mir entgegenströmt. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Und die ganze Zeit die Musik in meinem Kopf, die nicht verstummen will.
Commencing countdown, engines on.
Warum steht der Stuhl mitten im Raum? Warum liegt die Taschenlampe auf dem Stuhl und nicht neben dem Bett? Ich ermahne mich selbst, dass ich aufhören muss mit dem Trinken. Natürlich habe ich den Stuhl selbst verschoben und aus irgendeinem Grund die Taschenlampe draufgelegt. Mir fällt nur nicht ein, wann und warum. Aber derartige Dinge passieren mir manchmal. Einmal bin ich auf den Felsen eingeschlafen und eiskalt aufgewacht, vollkommen zerstochen von den Mücken und mit unglaublich steifem Rücken – mitten in der Nacht. Im Dunkeln.
Das könnte eine lustige Geschichte sein oder vielleicht eine peinliche, wenn ich nicht so eine Angst vor der Dunkelheit hätte. Ein anderes Mal ließ ich den Gefrierschrank sperrangelweit offen stehen nach einer nächtlichen Eisorgie. Sämtliche Lebensmittel waren verdorben. Auch das war keine lustige Geschichte, nur eine teure. Kein Wein mehr diese
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