Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
war … äh … vorgestern. Wir hatten ein Planungsgespräch, das heißt, er hatte ein Planungsgespräch mit mir.«
Charlotte verzieht das Gesicht, die Tränen drängen an die Oberfläche. Ich beuge mich vor und streiche ihr vorsichtig über den Arm.
»Nehmen Sie sich Zeit. Das ist in Ordnung.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Das ist nicht in Ordnung. Ich habe ja keinen Job mehr.«
Die Worte sind nur ein Flüstern.
»Augenblick. Wir fangen ganz von vorn an. Sie hatten also ein Planungsgespräch.«
»Er hatte ein Planungsgespräch. Mit mir.«
Charlotte, wie immer sorgfältig darauf bedacht, dass alle Details stimmen, sogar in dieser Situation. Sie seufzt und schüttelt langsam und resigniert den Kopf. Als sie wieder das Wort ergreift, spricht sie langsam und übertrieben deutlich, artikuliert jedes Wort, als wäre ich ein Kind.
Oder einfach nur unbegabt.
»Und. Er. Hat. Eine. Menge. Mist. Geredet. Was. Nicht. Stimmte.«
»Was zum Beispiel?«
»Dass ich nicht ausreichend proaktiv bin. Dass ich es lernen muss, Besitz über meinen Verantwortungsbereich auf eine proaktivere Art und Weise zu ergreifen. Ähh … es hat keinen Sinn, Ihnen das näher zu erklären. Das würden Sie sowieso nicht verstehen …«
Ich spüre einen Stich von Verärgerung darüber, von meiner Patientin für unmündig erklärt zu werden, lasse es aber darauf beruhen.
»Er hat gesagt, dass ich meine Führungsposition entwickeln muss. Dass ich noch nicht bereit bin für eine Beförderung. Kurz gesagt: eine Menge Mist. Das stimmt nicht. Das ist so ungerecht. Ich habe … auf alles verzichtet. Und dann steht dieser eitle Drecksack da und kritisiert mich vollkommen ohne Grund. Wobei er selbst… obwohl er selbst…«
Charlotte schluchzt. Unfähig, ihren Satz zu beenden.
»Obwohl er selbst was? Erzählen Sie es mir, Charlotte!«
Charlotte zögert und massiert sich die Wade mit einer Hand, während sie sich mit der anderen die Tränen wegwischt und die Nase putzt.
»Obwohl er selbst nichts als ein geiler Looser ist, der mit einer ihm Untergebenen vögelt, obwohl das gegen alle Regeln ist.«
»Und was haben Sie dann getan?«
»Das habe ich doch schon gesagt. Ich habe es ihm gesagt. Dass ich weiß, was er getan hat. Und was ich davon halte. Und jetzt habe ich keinen Job mehr.«
»Hat er Sie rausgeschmissen? «
»Natürlich hat er das nicht. Ich war diejenige, die gekündigt hat.«
»Aber… aber warum denn das? Sie sind doch nicht schuld daran, wenn er einen Fehler macht.«
Meine Hand ruht immer noch auf der rauen Baumwolle der Trainingsjacke. Ab und zu drücke ich tröstend Charlottes Arm.
»Ich kann dort nicht mehr arbeiten, nachdem ich so etwas zu ihm gesagt habe«, erklärt Charlotte und schüttelt erneut den Kopf, so dass feuchte braune Haarsträhnen wie ein Glorienschein um ihren Kopf tanzen.
»Aber überlegen Sie mal, Charlotte, er ist es doch, der den Fehler gemacht hat. Und nur weil Sie das angesprochen haben – wenn auch vielleicht ziemlich direkt -, so bedeutet das doch nicht, dass Sie kündigen müssen.«
»Ich weiß … mir ist einfach nicht zu helfen …«
Jetzt weint Charlotte hörbar, das Gesicht auf die Knie gebeugt, sie stößt kleine Jammerlaute aus wie ein gefangenes Nagetier. Ich streiche ihr wieder über den Arm und schiele auf die Uhr; noch zehn Minuten, Zeit, zum Abschluss zu kommen.
»So habe ich es nicht gemeint, Charlotte. Ich meinte nur, dass Sie keinen Fehler gemacht haben.«
»Das spielt jedenfalls keine Rolle mehr.«
Charlottes Stimme ist tonlos und nasal.
»Also, ich glaube … vielleicht ist es ganz gut für Sie, dass Sie sich erlauben, einmal die Kontrolle zu verlieren. Sie wissen, wie viel in Ihrem Leben sich um Kontrolle dreht.«
Charlotte erstarrt, innerhalb einer Sekunde gefriert sie zu einem Eisblock.
»Ich habe KEINEN JOB. Kapieren Sie nicht, was ich sage? Und daran sind Sie schuld. Sie Hexe!«
Ich lasse ihren Arm los und stehe auf. Selbst überrascht über meine eigene heftige Reaktion, und plötzlich bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, wer sie ist, diese verheulte, verrotzte Frau im Trainingsanzug, die mir da gegenübersitzt. Vielleicht gibt es etwas in ihr, was ich übersehen habe. Vielleicht habe ich eine Tür zu etwas Schwarzem, Verbotenem geöffnet.
Charlotte springt vom Sessel auf und eilt auf mich zu.
»Oh, Entschuldigung, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Bitte entschuldigen Sie, bitte, bitte.«
Sie schlägt ihre dünnen, aber überraschend kräftigen Arme um
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