Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Stefan ruht friedlich auf dem Rücken im kupferglänzenden Wasser. Ein Algenbüschel bildet ein weiches, sich wiegendes Kissen, dessen Fransen seine Wangen wie mit tausend sanften Armen streicheln.
»Ich vermisse dich«, sage ich. »Es ist immer das Gleiche. Ich vermisse dich, und du bist nicht hier.«
Stefans dünne, blauweiße Augenlider, die aussehen, als wären sie aus Reispapier, zittern, er schlägt die Augen auf und sieht mich geradewegs an.
»Aber meine geliebte Siri, hast du es immer noch nicht verstanden? Begreifst du denn nicht, warum ich gehen musste?«
Ich werde mit Sven reden. Markus hat mich davor gewarnt, er will nicht, dass ich mit jemandem spreche, den die Polizei verhört hat. Am liebsten wäre es ihm, wenn ich zu Aina zöge und mich krankschreiben ließe. Aus dem Schussfeld verschwinde, so hat er es bezeichnet. Aber stattdessen bin ich zurück in der Praxis, gehe den Flur entlang auf den Raum zu, den wir das gelbe Zimmer nennen.
Svens Zimmer.
Er sitzt mit dem Rücken zur Tür. Über dem Stuhl hängt seine rostbraune Cordjacke. Der Schreibtisch ist voll mit Stapeln von Fachzeitschriften, Notizblöcken und losen Zetteln, von denen ich weiß, dass es sich um Patientenaufzeichnungen handelt, die eigentlich nicht dort liegen dürften. Wir achten streng auf die Schweigepflicht. Obendrauf balancieren Kaffeetasse, Aschenbecher und Apfelstrünke. Sven ist ein fähiger Therapeut, aber seine Buchführung ist erbärmlich. Seit Marianne verschwunden ist, sind sein Büro und seine Akten sukzessive im Chaos versunken.
»Sven, kann ich mit dir reden?«
Sven dreht sich auf seinem Stuhl um, und ich sehe seinem Blick an, dass er aufgeschreckt ist, vielleicht ist es meine Person, die ihn erschreckt hat.
»Aber natürlich, setz dich.«
Er macht eine Geste zum Besucherstuhl hin, auch der ist voll mit Papieren und Akten. Eine Sekunde lang verliere ich die Geduld mit ihm und seiner Unordnung. Marianne hatte
vielleicht nichts dagegen, hinter ihm herzuräumen, aber weder ich noch Aina denken daran, das zu tun.
»Und was hast du gedacht, wo ich sitzen kann?«
Ich wollte es eigentlich nicht, kann aber selbst hören, wie hart und zurechtweisend meine Stimme klingt. Sven springt wie von der Tarantel gestochen vom Stuhl auf.
»Oh, entschuldige.«
Als er die Mappen und Papiere vom Besucherstuhl räumt, kann ich sehen, dass seine Hände zittern. Einige Papiere fliegen zu Boden und unter das Regal. Schließlich scheint er aufzugeben. Er legt alles zusammen in einem Stapel auf den Boden, lässt sich auf seinen Stuhl fallen und holt die Zigaretten heraus. Mir kommt der Gedanke, dass ich sie zumindest der Pfeife vorziehe. Ich setze mich ihm gegenüber und schaue ihn an. Wie ist das möglich? Der selbstsichere, gewandte Sven, reduziert auf ein kettenrauchendes Nervenbündel.
»Wir müssen reden«, sage ich.
»Ja, das müssen wir wohl.«
»Sven«, versuche ich es vorsichtig, »du bist einer der wenigen, die Zugang zu Charlottes Adresse hatten, Saras Akte …«
Sven unterbricht mich mit verzweifelter Stimme, und ich kann sehen, dass seine Hände, die gelb vom Nikotin sind, auch jetzt, beim Gestikulieren, noch zittern.
»Siri, du musst mir vertrauen. Ich habe mich wirklich nicht in deinen Garten geschlichen, habe keinen Brief an Charlotte Mimer geschickt oder… oder Sara Matteus getötet. Wie kannst du nur glauben … ich kann ja verstehen, wie es von außen erscheint, aber mein Gott, wie lange kennen wir uns jetzt? Glaubst du ernsthaft, dass ich in… in das alles verwickelt bin?«
Ich seufze schwer und schaue zu Sven auf. Die Angst ist ihm vom Gesicht abzulesen, als er mich über den kleinen Tisch hinweg ansieht.
»Nein, ich kann nicht ernsthaft glauben, dass du darin verwickelt bist. Oder, ich weiß nicht, was ich noch glauben soll. Kannst du mir eine Sache erklären, Sven: Wie kommt es, dass deine Handschrift sich auf Saras Akten befindet? Und dann noch in Mariannes Küche?«
Sven runzelt die Stirn und zögert einen Moment.
»Ich habe mir vor ein paar Monaten Saras Akte ausgeliehen. Ich wollte sie für diesen Artikel benutzen, den ich schreiben soll, du weißt doch, über das selbstverletzende Verhalten bei jungen Mädchen. Ich habe mir von ein paar Seiten Kopien gemacht und, ja, auch Notizen. Daran ist doch nichts Besonderes. Oder? Was ich nicht verstehe: Wie konnte das alles bei Marianne landen?«
»Und das Foto?«
Sven schüttelt den Kopf und sieht plötzlich auffallend traurig aus.
»Das habe ich
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