Die Therapie: Psychothriller (German Edition)
verschiedenen Fotos geklebt worden waren.
Viktor umwickelte seine rechte Hand mit seinem Schal und drehte die heiße Glühbirne zur Seite, um die Texte der Collage an der Wand besser lesen zu können.
Tochter von Starpsychiater verschwunden
Albtraumheiler jetzt selbst in einem Albtraum
Starpsychiater von seiner Frau verlassen
Kleine Josy vergiftet?
Entschieden: Larenz darf nie wieder praktizieren!
Welcher Irrer erfindet diesen Wahnsinn?, fragte sich Viktor. Einige Schlagzeilen waren echt. Doch die meisten waren ganz offensichtlich gefälschte Meldungen, die mit jeder Zeile absurder wurden.
Oder sollte ich lieber fragen, welche Irre?
Was für eine Mühe! Jemand musste sich die Texte erst ausgedacht, dann mit dem Computer in ein Zeitungslayout gebracht, ausgedruckt, verfremdet und hier an der Wand aufgehängt haben. Und woher stammten all diese Fotos von Josy? Einige waren ihm bekannt, wahrscheinlich aus dem Internet heruntergeladen. Andere hatte er noch nie zuvor gesehen.
Hatte sie die Familie damals überwacht? Heimlich Fotos von seiner Tochter gemacht? Auch wenn es noch keinen endgültigen Beweis gab, so war sich Viktor mittlerweile sicher, dass das hier das Werk von Anna sein musste.
Und wahrscheinlich lassen die einzelnen Schlagzeilen ihr Ziel erkennen. Das Muster, nach dem sie handelt und das ich gesucht habe, dachte Viktor weiter, während er die Glühbirne nach links schwenkte.
Wäre dies in dem Moment nicht geschehen, so hätte vielleicht alles noch eine andere Wendung genommen. Er hätte nicht laut vor Entsetzen aufgeschrien, sondern stattdessen das scharrende Geräusch von draußen gehört. Er wäre nicht so sehr darauf konzentriert gewesen, zu erkennen und zu begreifen, was an der Wand hing, sondern hätte das Knacken der Zweige im Garten bemerkt. Und vielleicht hätte er sich umgedreht und die Gefahr etwas früher kommen sehen. Vielleicht.
Stattdessen ließ er die Glühbirne los und griff nach dem Fetzen Papier, der an einem rostigen Nagel an der Rückwand des Schuppens baumelte. Was darauf stand, interessierte ihn nicht. Er wusste sofort, was er in den Händen hielt und wo er so etwas schon einmal gesehen hatte. Und zwar erst vor kurzem, vor wenigen Minuten. Es war das gleiche graue Recycling-Papier und die gleiche Handschrift. Für Viktor gab es keinen Zweifel – dieses Blatt stammte aus dem Zettelhaufen, der sich einen Steinwurf von hier entfernt auf dem Schreibtisch von Patrick Halberstaedt stapelte. Derjenige, der diese Collage des Grauens erstellt hatte, arbeitete nicht nur hier im Gerätehaus, sondern auch wenige Meter weiter entfernt im Haus des Bürgermeisters der Insel.
Mit dieser Erkenntnis und der entsicherten Pistole in der Hand stürmte Viktor zurück in den Garten.
48. Kapitel
E r brauchte nur zwei Minuten, dann fand er das Versteck. Auch Halberstaedt hatte für den Notfall einen Zweitschlüssel seines Hauses auf der Veranda unter einen Tonkrug gelegt.
Nachdem Viktor die Tür aufgeschlossen hatte, rief er erst laut den Namen des Hauseigentümers und rannte schließlich durch jedes Zimmer, nur um ganz sicher zu sein, dass ihn seine Vorahnung nicht getäuscht hatte. Niemand war da. Viktor betete innerlich, dass Halberstaedt nichts passiert sei. Trotz des irrationalen Gesprächs mit ihm vorhin und trotz des unheimlichen Schuppens konnte und wollte er einfach nicht glauben, dass Halberstaedt der Komplize von Anna war. Dafür kannte er ihn schon zu lange. Doch was war er dann? Die Alternative erschreckte ihn gleichermaßen, zumal er an Isabell denken musste. Anna war mittlerweile eine handfeste Bedrohung geworden, und er konnte nur hoffen, dass sich ihr Wahnsinn auf seine eigene Person beschränkte.
Mit schnellen Schritten ging er zum Schreibtisch, ohne sich darum zu kümmern, dass seine Schuhe Dreck auf der hellen Auslegeware verteilten.
Er starrte auf den Papierstapel neben dem Computer.
Was stand auf den Blättern? Woran hatte Halberstaedt oder Anna gearbeitet? Dieses Mal war er sich sicher, endlich den Schlüssel zu allen Antworten in Händen zu halten.
Viktor zog seinen Regenmantel aus und legte die Pistole neben den Papierstapel auf den Schreibtisch, bevor er sich setzte, um die ersten Seiten zu lesen.
Er konnte auf einen Blick erkennen, dass es sich um ein Manuskript handelte. Und als Viktor den Anfang überflog, ereilte ihn ein noch nie zuvor erlebtes Déjà-vu.
B: Wie fühlten Sie sich unmittelbar nach der Tragödie?
L: Ich war tot. Zwar atmete ich noch, ich
Weitere Kostenlose Bücher