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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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meinen Atem belebt.
    Und jetzt trug sie nicht mich, sondern einen anderen, seine Lippen saugten an den Brüsten, die mich genährt hatten. Und plötzlich hörte ich sein Keuchen. Er warf mit heftiger Bewegung den Kopf zurück, Zuckungen durchliefen seinen Körper, bevor er schlaff und schwer auf sie fiel, das Gesicht auf ihre Brüste legte. Seine Zunge leckte den glänzenden Schweiß von ihrer Haut. Sie sah zu den Sternen hinauf, ihre Hände lösten sich von seinem Rücken, fielen herab, lagen im Sand wie zwei dunkle, flache Muscheln.
    Da wandte ich mich ab und rannte davon. Ich fühlte in mir den Drang, mit nacktem Körper die Steine, das Gras, die Luft zu berühren. Ich warf mich ins Gras, zitternd vor Einsamkeit. Der Wind flog über die Gräser, berührte meine Haut. Ich dachte an den Leib meiner Mutter, gespreizt wie ein Blütenkelch, an ihre kleinen Brüste, schimmernd im Sternenlicht, an ihre langen, geschmeidigen Beine.
    Meine Hand glitt unter meine Kleider, bewegte sich über meinen Unterleib, in dem mein Herz plötzlich zu pochen schien. Ein Ziehen 285
    war in mir, ein heftiger schmerzhafter Druck. Ich streichelte mich mit unruhigen, brennenden Fingern, rieb und preßte mein kleines erigiertes Glied. Ich dachte an meine Mutter, und ich dachte an Xiao Dan, daran, wie sie ihn in ihren Leib gefangen hielt. Er war nicht mein Vater, und doch tat er das, was mein Vater getan hatte, als er mich zeugte. Irgendwie wollte ich in dieses Spiel einbezogen werden, ich rieb und rieb und schloß ganz fest die Augen dabei.
    Dann spürte ich Schmerz und Seligkeit, einen peitschenden Blitz.
    Mit keuchenden Atem sank ich zurück, spürte klebrige Nässe auf meinen Fingern. Und dann war es vorbei. Ich lag erschöpft im Gras, der ferne Bach murmelte und gluckste. Meine Brust hob und senkte sich. Über mir raschelten Zweige. Ich blinzelte, sah hinauf. Aus einem Baum löste sich eine Eule, flog weich und lautlos empor. Ihr schwarzer Umriß zeichnete sich gegen den Himmel ab; mir war, ob sie meine Seele zu den Sternen trug. Es war ein Zeichen der Wiedergeburt. Und auch ein Zeichen des Todes.
    Danach waren die Dinge nie mehr, wie sie vorher waren. Ich weiß nicht einmal, ob ich auf Dan eifersüchtig war. In seiner Nähe geriet ich in einen merkwürdigen Zustand, eine Mischung aus Neid, Zorn und konfusem Begehren. Was wollte ich eigentlich? Nicht einmal ich selber wußte es. Ich haßte und liebte Xiao Dan, wollte ihn töten und zugleich in seine Haut schlüpfen. Die Wunde war tief; sie ließ sich nicht verbinden. Ich genoß diesen Schmerz, ich war geradezu versessen auf ihn. Eine Zeitlang konnte ich Shelo nicht in die Augen sehen, doch sie sagte nichts. Ich nehme an, daß sie den Grund meines Verhaltens ahnte. Eine Mutter kennt ihr Kind, und das Wissen einer Schamanin geht tief.
    Einmal, an einem Herbsttag, ging ich mit Xiao Dan auf die Jagd.
    Im allgemeinen wird die Jagd in Tibet ungerne gesehen, weil die buddhistische Religion das Töten von Lebewesen verbietet. Aber Khampas lieben die Jagd, vielleicht deshalb, weil ihre Lebensweise mit urwüchsigen Dingen verknüpft ist.
    Xiao Dan war ein guter Schütze, während ich Pfeil und Bogen oder meine Steinschleuder benutzte. An jenem Morgen ritten wir hoch in die Berge; es war ein kühler, klarer Tag, der Pfad ging steil aufwärts.
    Die Granitflächen glitzerten, zeigten funkelnde Quarzstrahlen und Schwefelvenen. Dan schien glücklich an diesem Morgen. Sprach er zu mir, zeigte er sein mildes, müdes und spöttisches Lächeln. Im Wald kreuzten wir die Fährte eines Hasens. Ich sprang zu Boden, die Spuren waren kaum eine halbe Stunde alt. Hasenfleisch ist sehr zart.
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    Ich sagte, daß ich das Tier mit der Steinschleuder erlegen wollte.
    »So erwischst du ihn nicht«, meinte Dan.
    »Aber ganz bestimmt! «
    Ich erklärte ihm alles sehr gründlich. Ein Hase hat zwei Fährten und weicht nie davon ab. Ich brauchte mich nur gegen den Wind anzuschleichen und zu warten, bis er sich putzte oder fraß.
    »Dann treffe ich ihn ins Rückgrat, ohne daß er leiden muß.«
    Dans Mundwinkel zeigten ein Lächeln, aber ich merkte, daß er mich nicht verhöhnte. Wir beschlossen aus Spaß, daß jeder auf eigener Faust versuchen sollte, den Hasen aufzuspüren. Plötzlich nippte auf der anderen Seite einer Lichtung ein Zweig auf und nieder. Das Schleifen kam näher. Es hörte sich an, als ob Menschen tastend ihren Weg suchten. Doch es waren keine Menschen, sondern dunkle Tiergestalten, die langsam durch das

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