Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
Wenn mich die Army in das Cockpit einer ihrer F-4 gelassen hätte, wäre ich das Musterbeispiel eines Piloten geworden, die Nase am Zoom-Objektiv, die Bordkanonen aktiviert, im Tiefflug über chinesische Garnisonen. Man brauchte nur die richtigen Knöpfe zu drücken. Doch die USA wollte uns diese hübschen Spielzeuge nicht überlassen. Sie waren zu teuer. Wir – die Menschen – stellten billigeres Material dar. Man wollte kleine Zinnsoldaten aus uns machen, die den Chinesen ein paar Löcher in die Uniformen brannten. Als Ablenkung, sozusagen, während die Boys in Vietnam Napalm vom Himmel schickten, die Wälder mit Gift tränkten und sich mit Halsketten aus vietnamesischen Fingern schmückten.
    Die CIA verzichtete bekümmert auf mich; die Investition hatte sich nicht gelohnt. Man schickte mich schleunigst zurück. Ich rekrutierte einige Männer, bildete sie gut aus, und ein paar Jahre lang richteten wir ziemlichen Schaden an. Zwar waren die Waffen und Funkgeräte, mit denen uns die CIA versorgte, Bestände aus den Arsenalen des Zweiten Weltkriegs, aber wir konnten damit umgehen.
    Es war die schlimmste Zeit für Tibet. Das Land war den 358
    Rotgardisten ausgeliefert, der abscheulichsten Brut, die eine verbrecherische Politik an die Macht bringen kann. Mit der Schilderung ihrer Verbrechen lassen sich Bände füllen. Die Kulturrevolution hatte ganz China das Zähneklappern gelehrt, aber die Tibet zugefügten Greultaten übertrafen alles. Tibet war die Hölle auf Erden, wenn ich je eine gesehen habe.
    Das Reich wurde zum Land der nie gesühnten Verbrechen.
    Tibetische Sprichwörter, Redensarten und Volkslieder wurden verboten. Den Buddhismus hatte es nie gegeben, Seine Heiligkeit war »ein Metzger mit blutigen Händen, der sich von Menschenfleisch ernährte.« Sich tibetisch kleiden? Verboten!
    Muschelketten tragen? Verboten! Hautiere halten? Weg mit den nutzlosen Essern! Nicht einmal ihre Namen durften die Tibeter behalten. Sie mußten die chinesische Entsprechung annehmen, in der eine Silbe von Maos Namen eingeschlossen war. Neugeborene wurden nach der Hausnummer genannt, nach Geburtsdatum, Gewicht oder nach dem Alter des Vaters.
    Menschen wurden der Mund zugenagelt, weil man sie ertappt hatte, wie sie die Lippen im Gebet bewegten. Alle Küchengeräte aus Messing, Bronze und Kupfer wurden beschlagnahmt. Die Rotgardisten zerschlugen sogar die Blumentöpfe; künftig sollten die Tibeter keine Blumen mehr begießen, sondern sich statt dessen dem Studium der hehren Worte Mao Tse-Tungs widmen.
    Wer das rote Buch nicht ständig bei sich trug und zitieren konnte, wurde verhaftet.
    Aber ich will zu deiner und meiner Geschichte zurückkehren. Da gibt es ein Ereignis, das ich vergessen hatte. Hör zu: Ich weiß nicht genau, in welchem Jahr es war. Jedenfalls trieb ich mich in Lhasa herum. Der kollektive Wahnsinn hatte seinen Höhepunkt erreicht, Sabotage gehörte zur Tagesordnung. Da ich auf der »goldenen Brücke zum Sozialismus« nicht ausrutschen wollte, hatte ich mein Haar geschoren, steckte in dem einheitlichen blauen Anzug und trug Maos erbauliche Fibel in der Brusttasche. Ich hörte Geschrei.
    Schmährufe und das Prasseln von Steinen. Ich ging um eine Ecke und sah, wie einige Rotgardisten einen Mann steinigten. Sonst war niemand auf der Straße, alle hatten das Weite gesucht. Der Mann kauerte an einer Wand und schützte den Kopf mit den Armen. In seinem Haar klebte Blut. Solche Szenen erlebte ich zur Genüge; diese fand ich besonders abstoßend. Der Mann hatte zwei kleine Töchter. Die Rotgardisten drückten den Kindern Steine in die Hand 359
    und verlangten, daß sie ihren Vater steinigten. Die Mädchen schrien und weigerten sich. Sie mochten nicht älter als vier Jahre sein. Die Bande war so beschäftigt, daß sie mich nicht kommen sah. Aber das Krachen eines Faustschlags auf dem Kopf eines Menschen ist zu hören, so gut auch die Technik sein mag. Die anderen wirbelten herum, als ihr Genosse zu Boden ging. Einer hob sein Gewehr, doch ich war schneller und schlug ihm ein paar Zähne aus. Ich riß das Gewehr an mich, schmetterte dem nächsten den Kolben über den Schädel. Ich betätigte nicht den Abzug; ihre Gleichgesinnten plünderten in der Nebenstraße; ein Schuß würde sie anziehen wie Bluthunde. Auch mit dem Kolben ließ sich gut arbeiten; eine Minute später hatte ich zwei Karabiner erbeutet. Die Rotgardisten lagen bewußtlos auf der Erde oder erbrachen Blut. Kein schöner Anblick für Kinder, aber vermutlich

Weitere Kostenlose Bücher