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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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heute?«
    »Ein bißchen happig. Und bei dir?«
    »Föhnwetter leitet die Geburten ein.«
    Laura war ein Jahr älter, Frauenärztin und von nüchterner Ehrlichkeit. Wir hatten uns an der Uni getroffen und eine Zeitlang zusammen gewohnt. Seit acht Monaten hatte Laura eine gut laufende Privatpraxis. Laura hatte deutsche Eltern, sie selbst war in Basel geboren. Ihre Mutter führte eine exklusive, sehr teure Modeboutique.
    Der Vater war ein berühmter Cellospieler, gab Konzerte und lehrte an der Musikhochschule. Diese Mischung von Künstlertum und Sachlichkeit entsprach Lauras Charakter, prägte sogar ihr Aussehen.
    Es schien, als ob ihr Gesicht zu zwei verschiedenen Frauen gehörte.
    Die eine verfügte über die scharfen, spöttischen Augen, die andere über den empfindsamen Mund. Laura konnte sich nicht über zu wenig Arbeit beklagen, im Gegenteil. Besonders Frauen aus den Entwicklungsländern, die in der Schweiz Asyl suchen, bevorzugten eine Ärztin. »Oft verstehen sie kein Wort Deutsch«, erzählte Laura.
    »Ihre Männer wollen nicht, daß sie Kurse besuchen. Das könnte ihnen Flausen in den Kopf setzen. Die Männer begleiten sie bis ins Untersuchungszimmer, sehen zu, wie ich ihnen das Spekulum zwischen die Beine schiebe. Ich kann nichts dafür, ich finde das pervers.«
    »Aber du verdienst gut dabei«, sagte ich.
    Laura gab es zu.
    »Aber es ist immer ein komisches Gefühl, mit einem Mann über das Einsetzen der Spirale, prämenstruelles Syndrom und Wechseljahresbeschwerden zu reden. Die armen Geschöpfe nehmen ihre Bevormundung überhaupt nicht wahr. Weibliches Schicksal, und so weiter. Ich hoffe, daß ihre Töchter diesen hirnverbrannten Psychoterror abschütteln. Sonst sehe ich schwarz für die Zukunft der Menschheit. Himmel, habe ich einen Durst! Auf dein Wohl!«
    Sie hob ihr Glas. Sie trank nur Cola, was Roberto, waschechter Toskaner, zu verzweifeltem Augenrollen veranlaßte. Nach einer Weile hatte sie sich beruhigt.
    »Und du, bist du immer noch mit Roman zusammen?«
    »Er ist ein angenehmer Mann.«
    »Ist das alles?«
    »Das ist alles.«
    Wir lachten beide verkrampft und etwas kindisch. Laura war mit 58
    einem Molekularbiologen befreundet, der in einem amerikanischen Forschungsinstitut in Baden arbeitete.
    »Eigentlich spricht nichts dagegen, daß wir heiraten.«
    »Und warum heiratet ihr nicht?«
    »Er sagt immer wieder, ohne Routine hältst du es nicht aus, Laura.
    Aber ich will ihn nicht aus Routine heiraten. Mit der Zeit muß es langweilig werden. Und wie steht es mit dir?«
    »Ich versuche herauszufinden, wieviel Roman mir eigentlich bedeutet. Aber ich möchte mich lieber selbst richtig kennenlernen, bevor ich mich an andere heranmache.«
    Laura hob spöttisch die Brauen.
    »Suchst du einen Analytiker? Ich kann dir eine Adresse vermitteln.«
    »So akut ist das nun wieder nicht. Ich frage mich nur, ob ich nicht auf dem falschen Weg bin.«
    »Und wo wäre, deiner Meinung nach, der richtige?«
    Sie kaute Salatblätter und sah mich von der Seite an, wobei sie sich den Mund abtupfte.
    »Ich mache mir nicht das Leben zur Hölle. Aber in letzter Zeit habe ich wirklich viel an diese Dinge gedacht. Darf ich es mir erlauben, acht Jahre für nichts gearbeitet zuhaben? Der Gedanke hindert mich am Schlafen, weißt du… «
    Sie unterbrach mich.
    »Deine Tortellini werden kalt.«
    Ich spießte eine Teigtasche, mit Käse und Spinat gefüllt, auf die Gabel. Die Tortellini von Robert schmeckten am besten. Wenn man sie auf der Gabel in Augenhöhe hob, sah man genau, daß die Ränder nicht zerkocht waren. Laura nickte mir zu.
    »Gut, nicht wahr? Sag mal, was stimmt bei dir nicht? Du hast keinen Appetit, hörst nur mit halbem Ohr zu und bist mit deinen Gedanken weit weg. Wo, möchte ich wissen.«
    »In Nepal. Ein Exiltibeter gründete eine Medizinschule in Kathmandu. Meine Cousine lernt bei ihm, und zwar ohne vorherige medizinische Kenntnisse.«
    »Und da willst du auch hin?«
    Ich hatte mir vorgenommen, mit Laura darüber zu reden. Ich vertraute ihrem Urteil. Wer sein Leben durcheinander wirft, braucht Bestätigung.
    »Unter dem Mikroskop sehen wir, wie die Bakterien sich spalten.
    Wir wenden Cortison und Mefenaminsäuren an. Inzwischen erleben 59
    sogenannte alternative Behandlungsmethoden Hochkonjunktur. Die tibetische Medizin ist sehr empirisch. Faktoren wie Verhalten, Eßgewohnheiten, Privatleben und Umwelt werden in den Heilungsvorgang miteinbezogen. Das fasziniert mich.«
    »Wann hast du diesen Entschluß

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