Die Tiefe einer Seele
sein kannst!«
»Eine fiese Möpp?« grummelte James. »Was zur Hölle soll das schon wieder sein?«
»Oh, ich vergaß, Dein begrenzter Wortschatz. Na ja, sagen wir mal so, eine fiese Möpp ist ein Mensch mit einem schlechten Charakter.«
»Du findest, dass ich einen schlechten Charakter habe?«, schnauzte James sie nun wütend an.
Die Rothaarige grinste ihn schelmisch an. »Ja, tue ich. Zumindest dann, wenn Du jungen und unbedarften Frauen des Morgens in der Früh grundlos an die Gurgel springst. Schäm Dich!«
James konnte nichts dagegen tun. Auch seine Mundwinkel zogen sich nun nach oben, und er grinste ein wenig verlegen zurück. »Tut mir leid, Amy! Ich wollte nicht unhöflich sein. Es hat nichts mit Dir zu tun.«
Das ist gelogen, James Prescott!
Amelies Grinsen wich einem glucksenden Kichern. »Da ist er ja wieder, der tadellose Ritter. Welcome back!«
»Ich bin durchaus nicht tadellos, Amy Johannson«, murmelte James und nahm hastig einen Schluck Kaffee. »Du solltest jetzt auch frühstücken, spätestens um neun will ich los, dann schaffen wir es vielleicht bis mittags nach Berlin.« Amelie nickte brav und verzog sich ans Buffet.
In den folgenden 30 Minuten wurde James Anthony Prescott Zeuge eines erstaunlichen Vorganges. Denn dieses kleine Persönchen, das ihm kaum bis zur Brust reichte, schien mit einem gesegneten Appetit versehen zu sein. Zwei belegte Brötchen, Rührei, Spargelröllchen, Tomate mit Mozzarella, Lachs mit Melone und ein Schälchen mit Erdbeerquark verdrückte sie binnen kürzester Zeit mit augenscheinlichem Hochgenuss. James glaubte sogar, sie ein paar Mal schmatzen zu hören. Dazu trank sie keinen Kaffee, sondern Pfefferminztee, was bei dem Mann sofort ein leichtes Magendrücken verursachte, denn dieses scheußliche Gebräu hatte ihm seine Mutter immer vorgesetzt, wenn sein Verdauungstrakt rebellierte. Fasziniert sah er der jungen Frau zu und vergaß dabei völlig sein eigenes, halb aufgegessenes Brötchen zu vertilgen.
»Was guckst Du denn so?«, wollte Amelie wissen und kratzte den Rest Erdbeerquark aus ihrem Schälchen.
»Wann hast Du das letzte Mal etwas gegessen? An Weihnachten?«, erwiderte James amüsiert.
»Ihr Sarkasmus entgeht mir durchaus nicht, Mr. Prescott. Aber es ist wichtig, morgens gut zu frühstücken, um eine gesunde Basis für den Tag zu haben. Sollten Sie sich mal ein Beispiel dran nehmen, dann wären Sie eventuell auch nicht so missgelaunt.«
»Ich bin nicht missgelaunt«, brummte James und dachte sehnsuchtsvoll an Moshes Bagels. »Ich frage mich halt nur, wo Du Zwerg das alles lässt.«
Amelie schnappte nach Luft »Vorsicht, Mister! Noch so ein Spruch, und der Zwerg wird sich ganz gefährlich in Ihrem Bein verbeißen.«
James lachte laut auf und lehnte sich zurück. »Es ist echt lustig mit Dir, Amy. Nichtsdestotrotz sollten wir bald aufbrechen. Mmm, was ich Dir übrigens gestern schon sagen wollte. Das mit Deinem Fahrrad ist geregelt. Meine Versicherung wird zahlen. Sobald wir fertig sind in Berlin, kaufe ich Dir einen neuen Drahtesel und dann kannst Du Deine Tour fortsetzen, wenn Du das möchtest. Dein altes Bike können wir hier lassen, das Hotel wird sich darum kümmern, dass es entsorgt wird.«
»Was ist mit dem Auto? Es muss doch repariert werden.«
»Auch das habe ich geklärt, keine Sorge!«
Verblüfft bemerkte James Amelies nachdenklichen Gesichtsausdruck. »Was ist los? Ich dachte, es ist in Deinem Sinne, dass ich alles regele.«
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. »Ach, ich weiß nicht, James«, sagte sie leise. »Vielleicht ist es nicht ganz fair, wenn Deine Versicherung für alles aufkommt. Wäre schon möglich, dass ich nicht aufgepasst habe. Jedenfalls nicht gut genug.«
»Wie jetzt?«, schmunzelte James. »Auf einmal soll ich nicht mehr der Vollpfosten sein, der rothaarige Nervensägen zu Kühlerfiguren umfunktionieren will? Dabei hatte ich mich gerade daran gewöhnt. Ist aber auch egal, denn das Thema ist durch, und es gibt keinen Grund, nochmal alles aufzuwühlen. Aber wenn Du unbedingt noch eine Mitschuld bekennen willst, habe ich eben einen gut bei Dir, so einfach ist das.«
Amelie trank den letzten Schluck Pfefferminztee aus ihrer Tasse und musterte ihn mit strengem Blick. »James Prescott, Du hast mich binnen kürzester Zeit zuerst als Zwerg und danach als rothaarige Nervensäge bezeichnet. Ich Dir was schuldig sein? Vergiss es!«
Sie streckte ihm die Zunge raus und sprang auf. »In zehn Minuten am Wagen, ja?«, rief
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