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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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habe noch nie eine Frau, ach was sage ich, überhaupt einen Menschen kennengelernt, der so viel isst. Und ich bewege mich durchaus nicht nur im Dunstkreis von magersüchtigen Models. Besten Dank, dass Du so über mich denkst. Für meinen vorschnellen Verdacht möchte ich mich hiermit in aller Form entschuldigen, auch wenn Dir Selbiges wahrscheinlich wieder tierisch auf die Nerven gehen wird. Jetzt aber mal etwas anderes, wo wollen wir denn heute überhaupt nächtigen? Eventuell im Marriott?«
    Amelie lachte schallend auf. »Das Marriott? Bist Du doof?« prustete sie und schnappte nach Atem, wurde dann jedoch umgehend wieder ernst. »Ich denke mal, das würde mein Studentenbudget doch um einiges übersteigen, und komm mir nun ja nicht damit, dass Du bezahlst, Dein Auftraggeber oder sonst wer. Ich lasse mich nicht aushalten. Von nichts und niemanden! Schlimm genug, dass Du die Rechnung in Mölln übernommen hast, das wird nicht noch mal geschehen. Ich werde ins Hostel gehen. Hier in der Nähe hat kürzlich ein neues eröffnet. Da komme ich für weniger als 20 € unter, inklusive Frühstück. Wie gemacht für mich. Du kannst entweder mit mir dahin oder heute Abend im Marriott alleine Däumchen drehen. Deine Entscheidung!« Sie drehte sich um und winkte der Kellnerin zu. »Hallooooo! Könnten Sie mir vielleicht noch einen Vanillepudding bringen? Die große Portion…… äääh, mit Schokoladensauce, bitte!« Mit leicht verlegenem Grinsen wandte sie sich erneut James zu. »So! Und jetzt sollten wir überlegen, wo wir gleich zuerst hingehen. In Berlin gibt es da unzählige Anlaufstationen, was die Braunen angeht. Das kannst Du Dir sicher denken.«
    »Was schlägst Du vor, junge Lady«, erwiderte James stirnrunzelnd und noch etwas abgelenkt. Sah er sich doch schon inmitten einer Traube von zahlungsunfähigen Hippies oder ähnlichen Individuen in einer jugendherbergsähnlichen Unterkunft oder noch schlimmer, in einer armseligen Absteige. Grauenhafte Vorstellung, aber natürlich würde er, als Kavalier der alten Schule, das Mädchen da nicht alleine hingehen lassen. Niemals!
    »Wir sollten zunächst zur ‚Topographie des Terrors‘ gehen«, meinte Amelie und griff nach dem Stadtplan von Berlin, der auf dem Tisch vor ihr lag. »Siehst Du? Das ist in der Nähe des Potsdamer Platzes. Hier!« Sie zeigte ihm die Lage des Ausstellungsgeländes auf dem Plan. »Dort befanden sich in der nationalsozialistischen Zeit einige der wichtigsten Zentralen des Regimes: das geheime Staatspolizeiamt mit hausinternem Gefängnis, die Reichsführung-SS und während des Zweiten Weltkriegs auch das Reichssicherheitshauptamt. Davon sind zwar nur Gebäudereste zu sehen, aber die Dokumentation im Pavillon und die Freiluftausstellungen bieten einen sehr guten Einstieg in die Materie.«
    James nickte. »Fein, dann zunächst da hin!«
    »Aber erst der Pudding«, grinste Amelie.
    »Na klar, erst der Pudding!«, bestätigte James und lehnte sich augenrollend zurück.
     
    Eine Dreiviertelstunde später standen die zwei auf dem Gelände an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße 8 im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Von den stattlichen Gebäuden, die die Nazis damals für ihre niederen Zwecke besetzt hatten, war in der Tat nicht mehr viel übrig geblieben. Nur kahle Mauerreste der einstigen Kunstgewerbeschule, 1933 bis 1945 Hauptquartier der Gestapo, und das Prinz-Albrecht-Palais in unmittelbarer Nachbarschaft, in dem sich unter anderen die SS eingenistet hatte, waren noch zu sehen. Unter freiem Himmel hatte man hier eine Sonderausstellung installiert, die mit unzähligen Bildern und Dokumenten das Grauen des Gestapo-Gefängnisses verdeutlichten. James betrachtete die Fotografien hochkonzentriert und las sich jeden begleitenden Text dazu mehrfach durch. Hin und wieder machte er sich ein paar Notizen auf dem kleinen Block, den er immer bei sich trug. Die Welt ringsherum hatte er beinahe vergessen, wie so oft, wenn er arbeitete. Aber heute war doch etwas anders. Natürlich! Sie war es. Sie stand neben ihm, ganz nah, und als er sie anschaute, bemerkte er, dass ihre Aufmerksamkeit, im Gegensatz zu seiner, nicht der Ausstellung galt, sondern scheinbar ihm. Ihre Augen musterten ihn mit einer Intensität, die ihm kalte und warme Schauer über den Rücken jagten.
    »Äääh, was starrst Du mich so an, Amy?«, fragte er verwirrt. Sie veränderte ihren Röntgenblick nicht mal um eine Spur.
    »Ich starre Dich nicht an, ich studiere Dich!«
    James schmunzelte. »Bitte?

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