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Die Tiefe einer Seele

Die Tiefe einer Seele

Titel: Die Tiefe einer Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Dakota
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Sollte eine Studentin der Geschichte sich nicht eher für die hier dargestellte, schlimmste Periode der deutschen Historie interessieren und nicht für einen zugegebenermaßen recht attraktiven, amerikanischen Staatsbürger, der versucht, ernsthaft zu arbeiten.«
    »Eingebildet sind wir ja gar nicht, Mr. Prescott, oder? Natürlich ist die Ausstellung wichtig für mich, aber ich war schon mehrfach hier und kenne sie in- und auswendig. Mittlerweile nutze ich die Zeit, um mir die Besucher genau anzuschauen. Ich studiere Dich also nicht aus einem eventuell sexuellbasierten Interesse an Dir, sondern weil ich etwas wissen möchte.«
    »Sexuellbasiertes Interesse? Bezeichnet Ihr Deutschen das etwa so? Ich meine, wenn Ihr jemanden scharf findet? Ziemlich seltsam, oder?«
    »Seltsam ist nur, dass Du, mein lieber James, plötzlich versuchst, unsere rein beruflich motivierte Beziehung auf eine völlig andere Ebene zu ziehen. Sollte ich am Ende doch recht behalten, und Du willst mich nur in die Kiste kriegen? Da muss ich Dich enttäuschen, ich stehe nicht auf ältere Männer. Und noch mal, damit es auch bis in den letzten Winkel Deiner schwerhörigen Ohren dringt: Ich finde Dich weder scharf, erst recht nicht heiß oder süß, geschweige denn anziehend. Das einzige Adjektiv, das mir bei Dir einfällt, ist ‚anstrengend‘.«
    »Du findest mich anstrengend? Na, das ist ja mehr als nichts. Da können wir doch drauf aufbauen, Miss Rotzfrech. Und jetzt raus mit der Sprache, was genau glaubst Du, durch Deine unverschämte Observation zu erfahren?«
    »Wer hier wohl frech und unverschämt ist? Aber gut, ich will mal nicht so sein und Dir Deine Frage beantworten. Für mich ist es eben wahnsinnig interessant zu beobachten, wie die Menschen auf das reagieren, was sie hier zu sehen bekommen. Und Du ahnst gar nicht, wie groß das Spektrum menschlicher Emotionen oder Non-Emotionen ist, auf das man hier stößt. Abscheu, Ekel, Wut, Ungläubigkeit, Scham, aber auch Langeweile, völliges Desinteresse, Zweifel oder Ignoranz.«
    »Und warum tust Du das? Ich meine, was hast Du davon? Für Dein Studium an sich bringt das doch nichts, oder?«
    »James Prescott, Du solltest lernen, dass es ab und an wertvoll sein kann, etwas zu tun, auch wenn es scheinbar für Nichts ein Nutzen hat. Wobei der hier für mich durchaus gegeben ist. Ich habe Dir gesagt, dass mich menschliche Abgründe interessieren. Ein Mensch, egal wo und unter welchen Umständen er geboren wurde, kommt nicht gut und barmherzig, aber auch nicht böse und schlecht zur Welt. Alle haben die gleichen Grundvoraussetzungen, die Seele eines jeden ist sozusagen zum Zeitpunkt der Geburt gleich tief, gleich flach, gleich gut oder gleich schlecht. Erst das Leben und wie wir mit dem umgehen, das uns während unserer irdischen Zeitspanne widerfährt, lässt uns zu der Person werden, die wir letztendlich sind. Das kann ein Heiliger sein, aber auch ein Serienmörder, die Masse jedoch findet sich wohl irgendwie in der Mitte, nicht wahr? Wenn ich diese Leute hier anschaue, wie sie sich mit dem zweifellos größten Verbrechen der Menschheit beschäftigen, dann kann ich über ihren Gesichtsausdruck ihre Emotionen erkennen, und über diese wiederum die Tiefe ihrer Seelen ausloten. Ob diese Frauen und Männer gut oder böse sind, ob glücklich oder unglücklich, tiefsinnig oder oberflächlich oder gar nichts von alledem. Das ist für mich einfach nur faszinierend.«
    James stierte sie mit weitaufgerissenen Augen an. Ihm war klar gewesen, dass Amelie Johannson ein beeindruckendes Geschöpf war, aber dass sie dermaßen philosophisch sein könnte, das hätte er nicht erwartet.
    »Äääh, wow, das hast Du schön gesagt!«, meinte er immer noch staunend. »Hat Dir das Dein Therapeut so beigebracht?«
    »Uuuuh James, Du wirfst mal wieder mit Komplimenten um Dich, was? Nicht nur, dass Du mich ständig als frechen Zwerg bezeichnest, mir vorwirfst, meine Eltern bewusst zu quälen und darüber hinaus eine Bulimie anhängen willst. Jetzt labere ich also nur leere Phrasen meines Psychodoktors nach, oder was?«
    »Von leeren Phrasen hat keiner etwas gesagt, Du frecher Zwerg. Über Letzteres brauchst Du Dich überhaupt nicht aufzuregen, es entspricht zu einhundert Prozent der Wahrheit, und ich werde es immer wieder sagen, solange Du Dich so aufführst. Für die anderen Dinge, die ich dummerweise von mir gab, habe ich mich entschuldigt, also solltest Du sie nicht andauernd aufwärmen, das ist unfair. Was nun aber Deine

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