Die Tiere in meiner Arche
durch neue Farben und Gerüche für Abwechslung, um keine Monotonie aufkommen zu lassen. Eine Weintraube zum Beispiel enthält nicht mehr als etwas Zucker und viel Wasser; ihr Nährwert ist gering. Dennoch ist sie als Leckerbissen von unschätzbarem Wert, eine aufregende Beilage, so beliebt wie der Wackelpudding bei Kindern. Aber die Gefahr, daß man des Guten zuviel tut und eine Fixierung auf Trauben herbeiführt, darf nicht übersehen werden.
Wir hatten in Südamerika einmal einen Nachtaffen, ein bezauberndes Tier, das an eine Eule erinnert, das einzige Nachttier übrigens unter den Affen. Wir hatten die hübsche Affendame noch gar nicht lange, da verweigerte sie das Futter. Ein bestimmter Grund schien nicht vorzuliegen, da sie bei guter Gesundheit war; doch mit glanzlosen Augen und desinteressiertem Blick stocherte sie lustlos in den Speisen herum, die wir ihr anboten. Es war klar, daß sie dringend etwas Appetitanregendes brauchte. Meiner Frau gelang es wunderbarerweise und unter hohen Kosten — wir waren damals im Matto Grosso — , zwei Dosen Kirschen aufzutreiben. Als wir die Büchsen öffneten, stellten wir fest, daß die Früchte darin mit den Kirschen, die wir kannten, nicht die geringste Ähnlichkeit hatten. Sie sahen aus wie billiger Christbaumschmuck, so knallrot, daß sich wahrscheinlich nicht einmal Schneewittchen hätte dazu überreden lassen, eine anzunehmen. Unsere Nachtäffin jedoch warf nur einen Blick auf die hochroten Früchte und begann zu essen, als wären sie himmlisches Manna. Sie entwickelte eine solche Leidenschaft für die Kirschen, daß sie alles andere Futter ablehnte, und wir konnten sie nur mit viel Mühe und unter großem Zeitaufwand wieder an eine nahrhaftere, wenn auch weniger farbenprächtige Kost gewöhnen.
Ist ein wildes Tier erst einmal eingefangen, dann besteht das größte Problem darin, die Langeweile zu bekämpfen. Auf freier Wildbahn bringt das Tier den größten Teil seiner Zeit mit der Futtersuche zu, und wenn ihm die Notwendigkeit der Suche und die Anregung durch den Hunger entzogen wurde, kann leicht die Langeweile einsetzen. Es geht dem Tier wie dem Menschen, der fünfunddreißig Jahre lang in einem Büro oder einer Fabrik gearbeitet hat und sich plötzlich in den Ruhestand versetzt sieht. Sein Leben ist leer. In vielen Fällen stirbt er bald, aus reiner Langerweile. Tieren geht es ähnlich, deshalb bemüht man sich, gegen diesen Zustand anzukämpfen, indem man beim Futter für Abwechslung sorgt, dem Tier Nahrungsmittel anbietet, die es noch nicht kennt, auch wenn sie nur geringen Nährwert haben, indem man jene Speisen, die mit Vorliebe gegessen werden und dazu Nährwert haben, in sorgfältig eingeteilten Abständen gibt. Im Idealzoo würde natürlich jedes Tier einzeln gefüttert werden, so daß man genau weiß, was und wieviel es ißt. In vielen Fällen, wenn die Tiere in Gruppen gehalten werden müssen, ist das schwierig oder unmöglich. Wir können wenigstens unsere Menschenaffen und einige andere Tiere einzeln füttern. Bei Krankheit ist es besonders wichtig, die Abweichungen von der Tagesration zu kennen.
Ich sagte schon, daß das Tier einen großen Teil seines täglichen Lebens mit der Futtersuche verbringt. Selbst wenn die Suche erfolglos bleibt, ist sie doch von großer Wichtigkeit. Wir haben beispielsweise festgestellt, daß es kleinen Säugetieren sehr gut tut, wenn wir ihnen so oft wie möglich verfaulende Holzblöcke hinlegen. Das genießerische Einsaugen der interessanten Gerüche, die Anstrengung, die erforderlich ist, den Holzblock auseinanderzunehmen, die hoffnungsvolle Suche nach etwas Eßbaren in dem Haufen verfaulender Rinde und feuchten Holzes — das alles ist für ein Tier von größtem psychologischen Nutzen, auch wenn für den Magen kaum etwas dabei herausspringt. Im Idealfall sollten Tiere natürlich zehn- bis fünfzehnmal pro Tag gefüttert werden; dazu brauchte man jedoch so viel Personal, daß dieses Verfahren, so wünschenswert es ist, völlig unwirtschaftlich wäre. Bei vielen Tieren ist es notwendig, sie zwei- oder dreimal pro Tag zu füttern. Um jedoch eine Gruppe von Tieren zu beschäftigen, ist es nicht nötig, dreimal am Tag eine Mahlzeit mit drei Gängen aufzutischen. Eine Handvoll Mais oder Sonnenblumenkerne in einen Käfig mit Affen oder Eichhörnchen gestreut, reicht sicher nicht, um die Tiere zu sättigen, aber es gibt ihnen stundenlange Beschäftigung, nach den Körnern zu suchen und einander dabei mit Vergnügen
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