Die Tiere in meiner Arche
Angelegenheit mit einer tüchtigen und intelligenten Tierärztin, die ich gut kannte. (Tüchtige Tierärzte lassen sich finden; intelligente sind so selten wie Einhörner.) Sie meinte - wobei sie nachdrücklich darauf hinwies, daß es nur eine Vermutung sei — , die Krankheit könne durch einen Mangel an Phosphor in der Nahrung verursacht werden. Wir prüften die Kost, die ich gefüttert hatte und stellten fest, daß sie ausreichend Phosphor enthielt.
»Dann kann es so sein«, meinte die Tierärztin, »daß die Tiere das Phosphor aus irgendeinem Grunde nicht aufnehmen können. «
Sie schlug vor, ich solle Vitamin D3 spritzen, das würde den Zustand beheben. Gerade zu dieser Zeit litt keiner der Affen an einer Lähmung; ich verstaute also diese Information in einem der hinteren Schubkästen in meinem Gehirn und vergaß sie.
Erst als wir nach Jersey kamen, erhielt ich Gelegenheit, sie auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Wir hatten einen Schwarznasen-Husarenaffen aus Westafrika, ein langgliedriges, behendes Tier mit rötlichem, schwarzgezeichnetem Fell. Er wurde von der Krankheit befallen, und sie schritt so rasch fort, daß der Affe innerhalb kürzester Zeit völlig gelähmt war. Er konnte noch atmen, essen und trinken, aber nur, wenn wir ihm den Kopf hochhielten. Da fiel mir der Rat der Tierärztin ein. Ich besorgte schleunigst D3. Hinsichtlich der Dosierung kannte ich keine Vorschrift, an die ich mich hätte halten können; doch ich wußte, daß das Mittel als harmlos galt. Deshalb gab ich dem Affen eine massive Dosis. Zu meiner Überraschung zeigte sich schon nach achtundvierzig Stunden eine merkliche Besserung im Befinden des Affen. Ich gab ihm eine weitere, nicht ganz so hohe Dosis. Es dauerte keine Woche, da konnte er bereits seine Gliedmaßen wieder bewegen, und nach einem Monat sprang er mit solcher Kraft und Lebensfreude in seinem Käfig herum, daß es unglaublich schien, in diesem Tier das kraftlose, bewegungsunfähige Geschöpf vor sich zu haben, das dem Tod so nahe gewesen war.
Besonders anfällig für diese Krankheit waren die Krallenäffchen, und ihre zarten Körper erlagen der Krankheit sehr leicht. Das erste Anzeichen eines schlurfenden Gangs bei einem dieser Tiere war in der Vergangenheit einem Todesurteil gleichgekommen. Jetzt gab es auf der Stelle eine Dosis D3, und alles war wieder in Ordnung. Leider war es notwendig, eine im Vergleich zur Größe des Tieres massive Dosis zu spritzen, und die Äffchen mochten das gar nicht. Doch es war ja zu ihrem Besten. Heute können wir Ds zum Glück oral verabreichen, versteckt in ihrem Futter. Es tut gut zu wissen, daß die sogenannte Käfiglähmung besiegt ist, denn nichts ist quälender, als Zusehen zu müssen, wie ein sonst gesundes Tier langsam dem Tod verfällt, ohne sich dagegen wehren zu können.
Die Bedeutung dieser Zusätze zum normalen Futter läßt sich, glaube ich, aus den Zahlen unserer Zuchtergebnisse ablesen. Bei jeder Tierkollektion ist die Verpflegung von höchster Wichtigkeit, wenn man gute Zuchtergebnisse erzielen will, und in unserem Fall sind die Zuchtergebnisse das, worauf es uns bei unserer Arbeit am meisten ankommt. Ich habe versucht zu zeigen, daß die Ernährung von Tieren nicht so simpel und einfach ist wie sie erscheint. Wir wissen noch längst nicht alles über die Nahrungsbedürfnisse der Tiere, die in einer kontrollierten Umwelt gehalten werden. In erster Linie liegt das daran, daß wir über die Nahrung in freier Wildbahn und ihre Zusammensetzung kaum etwas wissen. Wir wissen, daß manche Tiere zu bestimmten Zeiten des Jahres gewisse Mineral- oder Salzlecken aufsuchen und sich von gewissen Früchten, Beeren oder Pilzen ernähren; wir wissen aber nichts darüber, welche Bedeutung das für ihren allgemeinen Gesundheitszustand hat. Wir kommen gerade erst dahinter, daß die Kost, die wir bisher den Tieren gefüttert haben, vielleicht abwechslungsreich genug sein mag, um die Tiere am Leben und bei Gesundheit zu erhalten, daß sie aber vielleicht nicht die ausreichende Menge an Vitaminen und Spurenelementen enthält. Und gerade diese spielen vielleicht für die Lebensdauer eines Tieres, für seinen allgemeinen Gesundheitszustand und seine Zeugungsfähigkeit eine entscheidende Rolle.
In der Erkenntnis, wie unerforscht dieses Gebiet noch ist, haben wir kürzlich mit Hilfe einer großzügigen Spende der Freund Foundation in Amerika ein ernährungswissenschaftliches Labor eingerichtet. Unsere erste Aufgabe besteht darin, sämtliche
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