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Die Tiere in meiner Arche

Die Tiere in meiner Arche

Titel: Die Tiere in meiner Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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besser werden. Kaum jedoch trafen wir in Jersey ein, da gelangten die Affen, die bisher nur ein Minimum gegessen hatten, über Nacht zu dem Schluß, daß die Dinge, die wir ihnen angeboten hatten, eigentlich doch sehr gut schmeckten. Sie aßen plötzlich Kohl, Spinat, Karotten und Tomaten, als könnten sie nicht genug davon bekommen.
    Man kann keine festen Regeln aufstellen, denn es verhält sich wirklich jedes einzelne Tier anders als das andere. Auf einer Expedition nach Kamerun in Westafrika gelang es mir einmal, drei Bärenmakis zu fangen. Das sind merkwürdige, kleine keksfarbene Halbaffen, die ein wenig wie Teddybären aussehen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es noch nie gelungen, ein solches Tier lebend nach Europa zu bringen. Ich wußte nur von einem Menschen, der es geschafft hatte, eines dieser kleinen Tiere am Leben zu erhalten; Informationen über ihre Lebensweise gab es also kaum. Ich wußte jedoch, daß sie außer Früchten und Knospen auch kleine Vögel zu essen pflegten; dreimal in der Woche also fügte ich ihrem Futter schöne, rundliche Webervögel hinzu. Alle drei Bärenmakis waren von meinem Lager aus innerhalb eines Umkreises von acht Kilometern gefangen worden, alle drei hatten sie bisher unter gleichartigen Umweltbedingungen gelebt. Da ist es wohl verzeihlich, daß wir glaubten, auch ihre Eßgewohnheiten würden die gleichen sein. Doch als jeder seinen Vogel bekam, schlang Bärenmaki Nummer eins das ganze Tier hinunter und ließ nur Füße und Kopf übrig; Nummer zwei aß von seinem Vogel nur die Brust; Nummer drei trepanierte höchst geschickt die Schädeldecke, leckte das Gehirn auf und ließ den Rest liegen.
    Wer sich eine Kollektion von Tieren hält, lernt jeden Tag neu, und zwar im allgemeinen mit der Überraschung, daß sie sich in ihrem Geschmack, ihren Vorlieben und Abneigungen so sehr voneinander unterscheiden wie die Gäste in einem großen Hotel. Wir hatten uns noch gar nicht lange in Jersey niedergelassen, als wir entdeckten, daß zwei Tierarten, von denen wir das am wenigsten erwartet hätten, eine schier grenzenlose Leidenschaft für gewöhnliche Heringe zeigten.
    Das waren südamerikanische Tapire, die angeblich reine Pflanzenesser sind, und Löwen, die zwar Fleischfresser sind, aber von ihrem Leben in der freien Wildbahn her doch wohl kaum an Heringe gewöhnt sein konnten. Im Fall der Tapire fragten wir uns, ob diese Tiere nicht in der Trockenzeit, wenn die Flüsse zu Rinnsalen versickerten und es für die Fische kein Entkommen gab, die Fische aufsammelten. Daß aber der in der Wildnis lebende Löwe etwa mit schöner Regelmäßigkeit Fisch, und gar noch Heringe, zu sich nimmt, dürfte höchst unwahrscheinlich sein. Der Geruch rohen Herings muß so berauschend gewesen sein, daß unsere Löwen der Versuchung nicht widerstehen konnten, den Hering zu einem festen Bestandteil ihrer Nahrung zu machen.
    Was auch immer die Gründe sein mögen, in beiden Fällen waren wir erfreut über diese Vorliebe für Hering; im stark riechenden Heringsfleisch lassen sich nämlich sehr gut Medikamente einschmuggeln. In Fleisch oder Obst würde die Tablette entdeckt und voller Verachtung ausgespien werden. Verbirgt sie sich jedoch in den Tiefen eines richtig fischigen Herings, so ist sie nicht zu bemerken und wird mit schmatzender Befriedigung geschluckt. Die Liste an Täuschungsmanövern dieser Art, die man lernen muß, scheint endlos. Spinnen beispielsweise haben auf manche Vögel die Wirkung eines Abführmittels; bei unseren Menschenaffen hat frische Ananas die gleiche Wirkung. Eine unserer Afrikanischen Zibetkatzen pflegte Bananen stets zu >töten< — nur Bananen, keine anderen Früchte. Sie wandte dabei eine Methode an, nach der vermutlich wilde Zibetkatzen verfahren, wenn sie ihre Beute töten. Zuerst pflegte sie die Banane zu packen und wütend hin- und herzuschütteln, bis die Beute ihrer Meinung nach halb betäubt sein mußte; dann ließ sie sich mehrmals mit der Schulter auf die Banane fallen, bis diese nur noch ein schmieriger Brei war. Nun endlich war das Beutetier tot, und die Zibetkatze konnte sie mit Genuß verzehren.
    Wenn Tiere allerdings eine starke Vorliebe für ein bestimmtes Nahrungsmittel entwickeln, muß man vorsichtig sein. Es kann nämlich passieren, daß sie dann überhaupt nichts anderes mehr essen wollen. Wenn man Tiere hält, kommt viel darauf an, zu verhindern, daß sie ihre Kost auf die Dauer langweilig finden. Man versucht es deshalb ständig mit neuen Speisen, man sorgt

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