Die Tiere in meiner Arche
gründlich und aß dann die Nachgeburt. Sie drückte das Kleine mit großer Zärtlichkeit eng an ihren Körper, so daß in uns große Hoffnungen erwachten, daß alles gutgehen würde. Aber die Enttäuschung kam schon bald; denn Nandi hatte keine Ahnung, daß der kleine Gorilla genährt werden mußte. Als er vier Stunden nach der Geburt versuchte, bei der Mutter zu saugen, zog sie ihn von der Brustwarze fort.
Länger als zweiunddreißig Stunden hatte man unseres Wissens noch nie ein Gorillababy bei seiner Mutter gelassen, ehe man es von ihr trennte und mit der Flasche großzog. Nandis Baby jedoch war kräftig genug und so erpicht darauf, bei der Mutter zu saugen, daß wir es vierzig Stunden bei ihr ließen. Doch ohne Erfolg. Widerstrebend nur luden wir das Narkosegewehr und verabreichten Nandi ein Beruhigungsmittel. Dann nahmen wir das Baby aus dem Käfig und brachten es in das Kinderzimmer hinauf. Zunächst legten wir es in den Brutkasten. Die ersten Fütterungen des Kleinen, über die er sich gierig hermachte, bestanden aus Glukose und Wasser; danach fütterten wir ihn mit Dextrose, und er nahm rasch an Gewicht zu. Wir tauften ihn Assumbo, nach einem Gebiet in Kamerun, dem westlichsten Teil Afrikas, in dem Flachlandgorillas heimisch sind. Assumbo entpuppte sich als ein ungewöhnlich braves Baby.
Drei Monate später war N’Pongo an der Reihe. Leider gab sie durch keinerlei Vorwarnungen zu erkennen, daß es bald so weit sein würde, und da wir für ihre Niederkunft mehrere mögliche Daten errechnet hatten, kam uns das Ereignis völlig überraschend. Wir erfuhren davon erst, als eines morgens um acht Uhr unser Kurator für Säugetiere, Quentin Bloxam, seinen Dienst antrat und N’Pongo auf ihrem Bord hockend vorfand, auf dem Boden das mit den Armen wedelnde, wimmernde Junge, das N’Pongo völlig ignorierte. N’Pongo hatte die Plazenta gegessen, das Kleine gesäubert und es dann, in der Meinung, daß sie damit das Ihre für die Zukunft der Gorillas getan hätte, auf den Boden gelegt und es sich selbst überlassen. Quentin öffnete die Klappe, die ins Freigehege hinausführte, und N’Pongo marschierte an ihrem wimmernden Sprößling vorbei, ohne auch nur einen Blick an ihn zu verschwenden. Offensichtlich glaubte sie, alles weitere wäre nun unsere Aufgabe. Quentin rettete das schreiende Baby, und es wurde zu Assumbo in die Kinderstube gebracht. Auch dieses Kind war ein männlicher Gorilla, und wir tauften ihn Mamfe, nach einer Gegend in Kamerun, wo ich während meiner Sammelexpeditionen in Westafrika oft mein Lager aufgeschlagen hatte.
Die beiden Kleinen wuchsen und gediehen, der Brutkasten wurde mit dem Korb und der Spielkiste vertauscht und später, als sie allzu ungebärdig wurden, mit einem Käfig im Säugetierhaus. Hier, wo sie Sonne und frische Luft bekamen, wuchsen sie noch rascher, zerschlugen ihre Spielsachen und trommelten sich auf die Brustkästen wie erwachsene Gorillas, um zu beweisen, wie stark und wild sie waren.
Sie hatten sich in ihrer neuen Umgebung kaum eingewöhnt, als frischer Nachwuchs im Kinderzimmer einzog. Nandi und N’Pongo brachten im Abstand von wenigen Wochen ihre zweiten Kinder zur Welt. Wieder mußten wir sie leider den Müttern fortnehmen. Nandis zweites Baby war ein Weibchen, das wir Zaire nannten. Ihre Geburt war für uns ein Grund zum Feiern, denn bisher zeigt die Geburtenstatistik der Gorillas in Gefangenschaft, daß überwiegend männliche Tiere geboren werden. N’Pongos zweiten Sprößling nannten wir Tatu. Er war das hübscheste männliche Gorillababy, das wir bis heute gesehen hatten, seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Gegenwärtig ist Nandi zum drittenmal schwanger, und ich zweifle nicht daran, daß N’Pongo es ihr nachtun wird. Wenn diese zwei Geburten normal verlaufen, dann haben wir in drei Jahren sechs Gorillas gezüchtet und das ist weiß Gott nicht schlecht, wenn man bedenkt, daß die erste Gorillageburt 1956 gemeldet wurde, also vor knapp siebzehn Jahren. Bis heute konnten nur vierundsiebzig Gorillas großgezogen werden. Wenn es uns gelingt, wenigstens drei von unseren Gorillakindern großzuziehen, um für die Zukunft eine gute Zuchtgruppe zu haben, dann können wir über dieses Ergebnis schon sehr froh sein. Unser Ziel ist es, Zuchtgruppen aufzubauen, die sich selbst erhalten, so daß es unnötig wird, wildlebende Gorillas zu fangen. Aus unserer Zuchtkolonie können wir dann an andere Zoologische Gärten Gorillas abgeben.
Kapitel Fünf
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