Die Tigerin
zur
Selbstzerstörung beherrscht. Er ist wie ein Nachtfalter, der um eine Flamme
schwirrt und unwiderstehlich davon angezogen wird — wenn Sie mir das Klischee
verzeihen. Wenn Corben nicht unmittelbar in einen
emotionellen und dramatischen Konflikt verwickelt ist, so schafft er einen.
Heutzutage weiß man über die psychischen Hintergründe der zunehmenden Neigung
zu Unfällen Bescheid — es ist ein bewußter oder unbewußter Wunsch nach Selbstbestrafung. Corben hat eine Neigung zu Gewalttätigkeit, wenn ich mich
etwas schwülstig ausdrücken darf .«
»Ist
das der Grund, daß er diesen Klub gegründet hat ?« fragte ich zweifelnd.
Thorro zuckte ungeduldig die Schultern. »Natürlich. Er ist
außerdem von starkem Sexualtrieb beherrscht, der wiederum von diesem
grundlegenden Verlangen nach Selbstzerstörung beeinflußt wird. Er kann also nur durch gewisse ersatzweise Anreize zu einem Genuß kommen .«
»Wie
wär’s, wenn Sie das in schlichten Worten ausdrückten, die auch mir verständlich
sind ?« bat ich. »Ich bin nur einfacher Polizeibeamter .«
»Es
gibt für ihn überhaupt keine Befriedigung durch direkte Beziehungen zu Frauen«,
sagte er geduldig. »Aber wenn er durch seinen Klub anderen Leuten derartige
Vergnügungen bieten kann, dann verschafft er sich selber Befriedigung. Damit
haben Sie also das Wesentliche seines Falles, Lieutenant, falls Ihnen das weiterhilft?
Inwiefern, kann ich mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen .«
»Sie
sagten, wenn er nicht in einen Konflikt verwickelt ist, schafft er einen ?« fragte ich.
»Stimmt .«
»Ein
interessanter Gedanke«, sagte ich aufrichtig. »Wie steht es mit Tania Stroud , Doktor? Was hat sie für Probleme ?«
»Sie
haben sie bereits kennengelernt, Lieutenant .« Einen
Augenblick lang grinste er etwas krampfhaft. »Brauchen Sie noch zu fragen ?«
»Vermutlich
nicht«, gab ich zu. »Aber es überrascht mich, daß sie sich heilen lassen wollte .«
»Ich
bin keineswegs davon überzeugt, daß sie das wollte«, sagte er kurz. »Im
medizinischen Sinn ist die echte Nymphomanin eine Seltenheit, Lieutenant. Ich
bin eher geneigt, anzunehmen, daß Tania mehr an einem interessierten Zuhörer
für ihre diversen Leistungen auf diesem Gebiet gelegen war als an einer
wirkungsvollen Therapie .«
»Kann
ich mir vorstellen«, sagte ich. »Lassen Sie uns wieder auf ein paar handfeste
Tatsachen zurückkommen, Doktor. Wann haben Sie Miss Kains zum letztenmal lebend gesehen ?«
Er
schenkte sich erneut ein Glas ein und trank einen Schluck, bevor er antwortete.
»Der Tod meiner Frau war ein entsetzlicher Schock für mich, Lieutenant«, sagte
er leise. »Das ist keine Heuchelei — wir standen nicht gut miteinander, wie ich
Ihnen schon sagte — , aber ein so plötzlicher Tod
durch einen Autounfall...«
»Natürlich«,
sagte ich mitfühlend. »Das verstehe ich .«
Er
hielt das Glas zwischen beiden Händen und starrte auf den bernsteinfarbenen
Whisky hinunter, während sich seine Finger wie in stummem Appell spreizten.
»Es
gab eine Autopsie — dann die Totenschau. Ich bat Bernice, die Einzelheiten für
die Beerdigung mit der >Ewigen Ruhe< zu regeln — ich war nicht sicher, ob
ich dem gewachsen sein würde. Sie traf alle Vereinbarungen mit Williams. Das letztemal , als ich sie sah, war irgendwann gestern nachmittag in meiner
Praxis — gegen vier Uhr, glaube ich. Sie sagte mir, alles wäre mit Williams
geregelt, und berichtete mir kurz — dann ging sie .«
»Und
das war das letztemal , daß Sie sie lebend sahen ?«
»Das
war das letztemal «, murmelte er.
»Hat
Sie gesagt, wohin sie gehen wollte, als sie Ihre Praxis verließ ?«
Thorro schüttelte den Kopf. »Ich nahm an, sie würde nach
Hause in ihre Wohnung gehen — der Unfall bedrückte uns beide ziemlich
erheblich, wie Sie sicher verstehen werden«, sagte er etwas kläglich.
»Ja«,
sagte ich höflich. »Nur eines noch, Doktor — kennen Sie einen Mann namens
Baker, Hal Baker ?«
»Baker ?« wiederholte er und runzelte gedankenvoll die Stirn. »Ich
erinnere mich nicht. Ist das wichtig ?«
»Er
ist Mitte Zwanzig«, sagte ich. »Ein sehr gut aussehender Bursche — schwarzhaarig,
hübsch braun, gut ein Meter fünfundachtzig groß und nichts als Muskeln?«
»Ja«,
sagte er und schnippte plötzlich mit den Fingern. »Jetzt erinnere ich mich! Ich
habe ihn einmal gesehen, und zwar vor etwa drei Monaten. Er kam in die Praxis,
um Corben abzuholen. Er saß im Wartezimmer, als wir
hinauskamen, und Corben
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