Die Time Catcher
später, okay?«
Ben kann sich gerade lange genug vom Captain losreißen, um mich kurz anzusehen. »G eh nicht weg, Caylid. Wir müssen Soldaten spielen.«
»E in anderes Mal, Schatz«, sagt Diane. »I ch werde Caleb unsere Adresse geben, dann kann er uns irgendwann besuchen kommen, ja?«
Sie kramt in ihrer Handtasche, zieht einen Zettel und einen Stift hervor.
»W enn du irgendwann mal in der Nähe von Boston bist«, sagt sie zu mir und notiert ihre Adresse, »d ann würden wir uns sehr freuen, dich bei uns begrüßen zu können.«
»J a, Caylid, du musst in unser Haus kommen«, plappert Ben. »D erne Street 55, Boston, Massachusetts.«
Diane will mir gerade den Zettel geben, als ich beide Hände hebe. »I st schon okay, ich kann mich daran erinnern.«
Sie wirft mir einen fragenden Blick zu, ehe sie den Zettel wieder in ihre Handtasche steckt.
»V ersprich, dass du kommst!«, sagt Ben.
»I ch verspreche es!«
»H and drauf!« Ben streckt mir seine kleine Hand entgegen.
Sie ist so warm wie die seiner Mutter, der Händedruck so fest wie der seines Vaters.
Tausend Gedanken wirbeln durch meinen Kopf. Doch vor allem einer lässt mich nicht los: Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich bringe ihn in Gefahr!
Ich muss Jim und Diane warnen. Aber was soll ich ihnen sagen? Dass sie Ben gut im Auge behalten sollen, weil er sonst Gefahr läuft, von meinem Zimmergenossen aus der Zukunft entführt zu werden?
»I ch muss jetzt gehen«, sage ich erneut, ohne Ben anzusehen. Ich mache auf dem Absatz kehrt und eile davon.
Da ist es wieder. Dieses prickelnde Gefühl.
Ich fahre herum.
Nichts.
Zu meiner Rechten sehe ich eine Herrentoilette. In die letzte freie Kabine schließe ich mich ein.
In diesem Moment höre ich, wie sich die äußere Tür öffnet. Musik und Gelächter dringen für einen Moment herein.
Die Tür zur Nebenkabine knarrt. Ich spähe unter dem niedrigen Spalt hindurch und erblicke Marios weiße Joggingschuhe.
Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich versuche, mein Handgelenk neu zu programmieren, doch meine Finger zittern zu sehr.
»D ieses Versteckspiel ist wirklich eine super Idee von dir.« Marios Worte treffen mich wie ein Keulenschlag.
Ich spähe erneut unter dem Spalt zur Nebenkabine hindurch, doch seine Füße sind verschwunden. Wo ist er?
Ich gebe keinen Laut von mir. Er kann nur vermuten, dass ich es bin, aber nicht sicher sein.
Jemand rüttelt an meiner Tür. Drückt mit aller Kraft. Ich springe auf und stemme meinen Rücken dagegen.
»D as ist … wie hat man in den Sechzigern gesagt … ein Knüller. Genau, dieses Spiel ist echt ein Knüller, Caleb!«
Fieberhaft versuche ich erneut, neue Reisedaten einzuprogrammieren. Während ich das tue, vermindere ich für einen Augenblick den Druck gegen die Tür. Doch mehr braucht es nicht. Im nächsten Moment gibt das marode Schloss nach, und ich werde nach vorn geschleudert, als die Tür krachend aufschwingt.
14. Oktober 1871, 11:26 Uhr
Bridgeport, Connecticut
Operation Tortenboden
T otale pechschwarze Finsternis. Und Kälte. Es ist so kalt hier. Ich muss tot sein. Wahrscheinlich hat Mario mich unmittelbar, nachdem er die Toilettentür aufgebrochen hat, ins Jenseits befördert.
Oder nicht? Vielleicht bin ich immer noch im Toilettenabteil, und er hat das Licht abgedreht, um mir jetzt den Garaus zu machen. Panik überfällt mich. Ich reibe mir die Augen und aktiviere mein implantiertes Okular. Ich befinde mich in einem Raum von der Größe einer Toilette, die Wände bestehen aus rohen Holzbalken. Auch die Bank, auf der ich sitze, besteht aus Holz. In die Mitte ist ein großes Loch gesägt. Auf der Toilette der Expo ’67 hat es überhaupt kein Holz gegeben, sondern nur Trennwände aus Metall. Mein Zeitsprung muss also funktioniert haben. Aber wo bin ich?
Das Nachdenken fällt mir schwer. Wie lange halte ich mich jetzt schon in der Vergangenheit auf? Die Zeit auf der Expo hat bestimmt länger als eine halbe Stunde gedauert. Aber wie viel länger?
Bridgeport, Connecticut. Dort müsste ich eigentlich sein. Es sei denn, ich habe einen Programmierungsfehler begangen und bin in irgendeinem anderen Jahr an irgendeinem anderen Ort gelandet. Was absolut möglich ist, wenn man bedenkt, dass alles rasend schnell gehen musste, während Mario versucht hat, in die Kabine einzudringen.
Ich stehe auf, gehe zur Tür des Plumpsklos, öffne sie einen Spaltbreit und spähe hinaus.
Tageslicht. Doch nur sehr schwach. Der Himmel ist dunkel und mit Wolken bedeckt.
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