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Die Time Catcher

Die Time Catcher

Titel: Die Time Catcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ungar
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kein Sprachunterricht, sondern eine neue Art der Folter. Das Letzte, worüber ich reden will, ist die Liebe in der Familie. Nie im Leben werde ich zum Essen erscheinen. Abbie wird mein Fehlen vermutlich gar nicht bemerken, weil sie nur Marios brokkoligrüne Augen im Blick hat. Ich bearbeite das Holz jetzt mit wilder Entschlossenheit. Eine innere Stimme sagt mir, ich solle vorsichtiger zu Werke gehen, sonst riskiere ich, dass die Klinge abbricht oder noch schlimmer: dass ich ein riesiges Stück heraushebele und das ganze Gesicht zerstöre.
    Doch ich kümmere mich nicht darum. Jeder Stoß, den ich ausführe, ist heftiger als der vorige.
    Ich hasse es, früh aufzustehen, wenn keine Mission ansteht. Doch heute müssen wir alle nach SoHo, um uns für Onkels jüngstes Projekt briefen zu lassen, und vor diesem Termin kann ich mich keinesfalls drücken. Also finde ich mich um zehn vor sieben fertig angezogen in der Küche ein.
    Alle anderen sind schon da und kämpfen um die besten Plätze in der Nähe des Toasters.
    Mein Magen grummelt, weil er gestern kein Abendessen bekommen hat, also genehmige ich mir erst mal eine Schale mit Frühstücksflocken, ehe ich mich am Kampf um die Toasts beteilige.
    »C aleb, wo ist die Beute aus Bridgeport?«, fragt Nassim.
    »U ps, hab ich auf dem Zimmer vergessen. Bin gleich zurück«, erwidere ich.
    Ich bin gerade aus der Küche heraus, als er mir nachruft: »W arum hast du sie gestern nicht abgeliefert?«
    Erwischt. »T ut mir leid, Nassim«, antworte ich und zucke die Schultern. »G estern war echt ein heftiger Tag.«
    Nassim nickt und sagt: »I ch warte in meinem Büro.«
    »O kay.« Ich eile in mein Zimmer und greife unters Bett, wo ich die Kuchenform gestern deponiert habe. Für einen panischen Augenblick kann ich sie nicht finden. Mein erster Gedanke ist: Mario! Er muss sie gefunden haben! Wie leichtsinnig von mir, sie an einem so ungeschützten Ort zu verstecken. Ich hätte sie unbedingt gestern schon abliefern sollen. Im nächsten Moment ertasten meine Finger eine kühle, runde Kante. Erleichterung durchfließt mich.
    Ich klemme sie mir unter den Arm und haste zu Nassims Büro.
    »H ier ist …« Die Worte ersterben auf meinen Lippen. Es ist stockdunkel und ich bereite mich auf seinen Angriff vor.
    Plötzlich zieht mir jemand die Fußgelenke weg und ich lande der Länge nach auf dem Boden. Die Kuchenform segelt durch die Luft, aber das kann sie ja schließlich am besten. Anderenfalls wäre ich für unrechtmäßigen Gebrauch von Diebesgut zur Rechenschaft gezogen worden.
    Bevor ich auch nur daran denken kann, mich wieder aufzurappeln, werden meine Arme eingezwängt wie in einen Schraubstock. Ich kann nichts anderes tun als abzuwarten.
    »A ufruhr. Sieben Buchstaben«, flüstert mir eine Reibeisenstimme ins Ohr.
    »R evolte«, antworte ich so gelassen wie möglich.
    Die Lichter gehen an. Ich reibe meinen schmerzenden Arm. Nassim unterzieht die Kuchenform einem raschen prüfenden Blick. Er streckt seinen Arm an mir vorbei, schließt die Tür und klatscht in die Hände, worauf klassische Musik einsetzt. Die Musik rollt und donnert wie Wellen in stürmischer See. Sie ist sehr laut, doch Nassim macht keine Anstalten, sie leiser zu stellen.
    »W as ist los mit dir, Caleb?«, fragt das Schwergewicht. »I ch erkenne dich gar nicht wieder.«
    Mein Mund trocknet aus, als ich die Verbindung zwischen Nassims Frage und der lauten Musik erkenne.
    Ich zögere mit einer Antwort. Ich habe mit Nassim noch nie ein persönliches Gespräch geführt. Im Grunde habe ich mit ihm überhaupt noch nie ein Gespräch geführt, das länger als zwei Minuten gedauert hätte. Dann erinnere ich mich daran, wie er mir die Narben gezeigt hat, die von den Schildkrötenbissen zurückgeblieben sind. Ich würde ihm ja gern vertrauen. Ganz ehrlich. Doch was ist, wenn er hinterher gleich zu Onkel geht, um ihm alles brühwarm zu berichten? Das ist mir zu riskant.
    »M ir geht’s gut«, lüge ich.
    Er sieht mich durchdringend an, und für einen Moment habe ich das Gefühl, er wolle mir etwas sagen. Doch stattdessen nickt er nur.
    Als ich den Raum wieder verlassen will, hebt er die Hand. »W arte mal, ich will dir etwas zeigen.«
    Nassim öffnet die obere Schublade seines Schreibtischs und holt ein kleines Fläschchen hervor. Aus diesem Fläschchen schüttelt er eine kleine silberne Pille und fragt: »W eißt du, was das ist?«
    »N ein.«
    »D iese Pille löscht deine Erinnerung«, sagt er. »N imm zwei davon, und nach

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