Die Time Catcher
Glück. Das ist schon mein zweites Eichhörnchen in dieser Woche. Ich bringe es in die Höhle und ziehe ihm mit meinem Messer das Fell ab. Glücklicherweise hat Onkel meine Taschen nicht kontrolliert, bevor er mich hierher geschickt hat. Ohne das Messer hätte ich hier wohl kaum länger als eine Woche überlebt.
Was Abbie wohl denken würde, wenn sie mich jetzt sähe?
Warum verschwende ich mit solchen Gedanken überhaupt meine Zeit? Der ist es doch offenbar völlig egal, wie es mir geht. Wahrscheinlich macht sie sich jetzt vor allem darüber Gedanken, was sie als Marios Assistentin für Kleider tragen soll. Und wie assistiert sie ihm eigentlich? Indem sie ihm ständig erzählt, wie toll er ist?
Ich nehme ein bisschen getrocknetes Gras von meinem Lager und einen faustgroßen Stein.
Natürlich hatte sie recht, als sie sagte, sie könne Mario keinen Korb geben. Schließlich weiß sie ja, wozu er imstande ist, wenn man ihn provoziert. Ich kann ihr nicht vorwerfen, dass sie ihre eigenen Interessen verfolgt. Wäre ich ein bisschen mehr so wie sie, hätte es mich vielleicht nicht in diese gottverlassene Gegend verschlagen.
Jetzt kommt der schwierigste Part. Ich halte Stein und Gräser in der einen, das Messer in der anderen Hand. Dann ziehe ich es so schnell über die Oberfläche des Steins hinweg, dass ein Funke entsteht. Entstehen sollte.
Beim vierten Versuch gelingt es mir, einen Funken zu schlagen, der jedoch sofort wieder erlischt. Ein ums andere Mal probiere ich es. Schließlich, beim neunten oder zehnten Versuch, steigt eine dünne Rauchfahne von den Gräsern auf.
Ich blase sanft darauf und werde mit einer winzigen züngelnden Flamme belohnt.
Eine schützende Hand um die Flamme gewölbt, lasse ich sie Kontakt mit dem kleinen Haufen Zweige und Gräser aufnehmen, den ich gestern aufgeschichtet habe. Die kleine Flamme flackert, und für einen Moment fürchte ich, sie könne wieder erlöschen. Aber dann fangen die Gräser Feuer und kurz darauf auch die Zweige.
Ich spieße das Eichhörnchen auf einen dünnen Ast, halte ihn direkt über die Flammen und grille das Tier eine geraume Zeit lang. Als ich es schließlich vom Feuer wegziehe, könnte niemand mehr erkennen, was das verschrumpelte braune Etwas mal gewesen ist.
Da die Sonne schon wieder heftig vom Himmel brennt, ziehe ich mich zum Essen in meine Höhle zurück. Für ein Wüsteneichhörnchen gar nicht mal so übel – mit einem leicht nussigen Geschmack. Während ich kaue, denke ich an meinen Rettungsplan für Ben. Gemeinsam mit den anderen Rekruten muss er sich auf Onkels Trainingsgelände befinden. Der dreisteste Weg wäre natürlich, dort mir nichts, dir nichts aufzukreuzen und ihn einfach mitzunehmen. Doch was ist, wenn ich dabei Mario über den Weg laufe? Der würde mir Ben bestimmt nicht kampflos überlassen.
Da wäre es vermutlich besser, zu einem Zeitpunkt zurückzukehren, der Bens Entführung vorausgeht, um sie zu verhindern. Doch auch das ist riskant. Wenn Mario Ben auf dem Radar hat, dann wird es nicht leicht sein, ihn an der Tat zu hindern.
Wozu ich mich auch entschließe, ich muss in jedem Fall sicherstellen, dass man uns nicht aufspüren kann, nachdem ich ihn befreit habe. Abbie hat gesagt, Mario habe Phoebe hypnotisiert, um die Aufzeichnungen über seine geheimen Zeitsprünge zu löschen. Und da sie sich bei ihm lieb Kind macht, weiß sie inzwischen vielleicht selbst, wie das geht. Doch würde sie mir helfen, wenn sie wüsste, dass sie damit gewaltigen Ärger kriegen könnte? Würde ich überhaupt wollen, dass sie mir hilft? Ich meine, falls ihr meinetwegen irgendetwas zustößt … ich will gar nicht daran denken.
Selbst wenn es mir gelingen sollte, Ben unbemerkt nach Boston zu schmuggeln, müsste Phoebe die Daten aller entführten Kinder mitsamt ihrer Heimatadressen unter Verschluss halten. Und wenn seltsamerweise nur Bens Datei verschwindet? Das könnte funktionieren. Ich muss also zunächst seine Datei beseitigen, ehe ich ihn rette.
Ein Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken. Ich setze mich auf.
Dort! Ein fernes Flüstern. »C aleb.«
Ich wäre der Erste, der zugibt, dass ich in letzter Zeit ein bisschen viel Sonne abbekommen habe. Doch hatte ich seit dem ersten Tag keine Halluzinationen mehr. Was dieses Ereignis umso beunruhigender macht.
»C aleb.«
Das Flüstern ist lauter geworden. Ich strecke meinen Kopf aus der Höhle und rechne fast damit, eine vertraute Person zu erblicken. Doch weit und breit ist niemand zu sehen.
»C
Weitere Kostenlose Bücher