Die Time Catcher
Felsformation zu erreichen.«
»A ber, warum spürst du dann keinen …«, beginne ich.
»Z eitnebel?«, ergänzt sie.
»G enau.«
»D afür kannst du auch Mario danken. Der hat sich eine App für seine Zeitprogrammierung ausgedacht, mit der er die Zeitspanne in der Vergangenheit beliebig verlängern kann. Natürlich hat er die App nicht mit mir geteilt. Ich musste sie Phoebe aus dem Kreuz leiern.«
Wow. Da ist man einen Monat weg und die Welt steht Kopf.
»H ey, mach’s dir bloß nicht zu gemütlich hier«, sagt Abbie. »T emudschin wartet in seiner Jurte auf uns.«
»J urte?«
»S o nennen die Mongolen ihre Zelte«, antwortet sie. »K omm mit, du siehst aus, als könntest du ein Frühstück vertragen.«
Sie mustert meine dürre Gestalt und fügt hinzu: »U nd am besten auch gleich Mittag- und Abendessen.«
Abbie nickt Dschingis zu, der sich in Bewegung setzt und uns den Weg nach unten bahnt. Ich gehe in der Mitte und Abbie bildet das Schlusslicht. Glücklicherweise lässt Dschingis es langsam angehen. Seit meinem zweiten Tag in der Einöde habe ich mich nicht viel bewegt, was ich jetzt zu spüren bekomme.
Nach ein paar Minuten bleibt Dschingis stehen, zeigt auf mich und brummt etwas in Abbies Richtung.
»E r sagt, wir kommen schneller voran, wenn er dich trägt«, erklärt sie.
»Ä h, ja … okay«, erwidere ich. Wenn ich dann schneller mein Frühstück kriege, ist mir alles recht.
Er wuchtet mich über die Schulter wie einen Sack Kartoffeln, ehe er sich leichtfüßig an den Abstieg macht. Zweimal setzt er mich ab und teilt mit mir das Wasser aus seiner Feldflasche.
Als wir die grasbewachsene Ebene erreichen, zeige ich auf eine freie Fläche. »D ort habe ich meine Matratze her«, sage ich stolz.
»S ehr beeindruckend«, bemerkt Abbie lächelnd.
Ich sehe zwei honigbraune Pferde, die an den Ästen eines niedrigen Strauchs angebunden sind. Abbie schwingt sich auf den Rücken des kleineren Pferdes und Dschingis hebt mich aufs zweite. Fast wäre ich auf der anderen Seite wieder hinuntergefallen, doch Dschingis hält mich fest, ehe er hinter mir aufsitzt. Das Pferd wiehert und schnaubt, als gäbe es bei Pferden eine maximale Traglast wie bei Aufzügen.
Ich bin noch nie zuvor auf einem Pferd geritten, doch wenn ich mir so anschaue, wie Dschingis das macht, braucht man offenbar nicht mehr zu tun, als sich zu entspannen und das Reiten zu genießen. Was ich auch tue, ungefähr fünf Sekunden lang, bis das Pferd von gemächlichem Trott plötzlich in vollen Galopp übergeht.
Ich schaue mich verzweifelt nach etwas um, an dem ich mich festhalten kann, doch alles, was ich sehe, ist die Mähne des Pferdes. Hoffentlich macht es ihm nichts aus, ein bisschen an den Haaren gezogen zu werden, denn ich strecke schon eine Hand aus und vergrabe sie in seiner Mähne.
Wer sagt, die Wüste sei flach, der lügt. Ich kann mich kaum auf dem Rücken des Pferdes halten. Eine heftige Erschütterung wird mir fast zum Verhängnis, doch Dschingis streckt blitzschnell die Hand aus und hält mich fest.
Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, würde ich sagen, dass wir schon seit mehreren Stunden unterwegs sind. Und ich will ja auch nicht jammern, aber viel länger halte ich es echt nicht mehr aus. Meine Arme sind so müde, dass ich mich kaum noch länger an der Mähne festhalten kann, und meine Beine fühlen sich an wie Spahgetti.
Als ich schon fürchte, mir würden bald die Glieder abfallen, fällt das Pferd in einen leichten Trab und dann in den Schritt. Ich lockere meinen Griff und blicke auf. Wir befinden uns auf einem Felsplateau. Vor uns breitet sich ein großes Lager aus, das aus mindestens fünfhundert kuppelförmigen Zelten besteht.
Eine Zeit lang reiten wir am Plateau entlang, bis wir auf einen Pfad treffen, der sich zwischen den Zelten hindurchschlängelt. Wenig später bekommen wir Gesellschaft von zwei Reitern, die genauso gekleidet sind wie Dschingis. Sie sagen etwas zu ihm, schauen aber unablässig mich an.
Dschingis führt unsere kleine Prozession durch einen Irrgarten von Zelten hindurch. Überall stehen Krieger, die ihre Pferde striegeln, miteinander ringen oder, vor den Zelten kauernd, ihre Pfeilspitzen mit Steinen schärfen. Sie alle winken Dschingis zu, als wir vorüberreiten.
Schließlich kommen wir zu einem Zelt, dessen Größe alle anderen weit übertrifft. Dschingis steigt ab und hilft mir vom Pferd. Auch Abbie ist bereits abgestiegen und übergibt die Zügel einer Frau in einem langen roten Kleid –
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