Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
Vom Netzwerk:
riesigen Teller, über den die Pizza Napoli noch drüber lappt. Meine Lasagne ist in einer schönen Auflaufform, und die Tragegriffe sind zur Dekoration mit Pfeffer bestreut. Nicht schlecht, die Grotte! Während wir essen, reden wir nicht, wir schmatzen und hören Eros Ramazotti.
    Und als ich glaube, da kommt nichts mehr, außer ein Verdauungsschnaps und die Scheine vom Alten, sagt er, ich solle das beenden mit meiner Manja. Ich habe gesagt, sie heißt Manja, aus Personenschutzgründen, vielleicht ist er ihr Großvater. Er sagt mir auch gleich, warum ich das mit meiner Manja beenden soll, ich muss gar nicht fragen. Er seufzt zur Einführung. Ich zünde mir eine Zigarette an und er sagt: «Ich kenne das. Ich hatte jahrelang so eine Geschichte, ja? Und war sogar verheiratet. Die Frau war sehr adrett, aber meine Frau eben auch, ja? Die Frau hat mich auch sehr geliebt, aber meine Frau eben auch, naja. Also habe ich nie etwas entschieden, ja? Immer nach dem Motto: «Laufen lassen!» und ich hätte mich damals auch nicht scheiden lassen können. Ich hatte einen hohen Posten, ja? War in der Partei – also … Kennen Sie Paul und Paula, den Film? Egal. Es ging nicht. Und meine Frau, ja? Hat nie etwas mitbekommen, tja. Und die Frau, also die andere hat immer gesagt, sie wolle lieber das bisschen wie gar nichts. Und so wenig war es auch gar nicht, nich? Wir waren 17 Jahre zusammen, also zusammen … naja. Haben uns getroffen und sind auch mal verreist. Geschäftsreisen halt. Dann starb meine Frau, ja? Und ich ging zu Anneliese und wollte einen Schuh aus der Kiste machen und mit ihr richtig alt werden, alt waren wir ja schon, naja. Es ging auch gar nicht mehr um Anziehung, schauen Sie mich doch an, hier. Ich bin kein Liebhaber mehr, naja. Ich bin ein vierfacher Opa. Ich dachte so, na, besser als allein sein und wir haben uns immer gut verstanden, ja? Das war sehr harmonisch, aber die Anneliese wollte mich nicht mehr. Strikt nein. Sie war stinksauer auf mich, ja? Sie fand, ich wäre ein Schuft. Ein Schuft, ja? Ich hätte sie hingehalten, ausgenutzt, weiß der Teufel nicht was noch? Ach, und ihre besten Jahre gestohlen. Sie hat geheult wie ein Schlosshund, fürchterlich, naja. Das lässt einen ja nicht kalt oder? Und dann noch, sie hat gesagt, sie hätte sich an mich verschwendet und sie wollte immer ein Kind haben, ja? Und das ginge ja jetzt nicht mehr. Ich hätte eine einsame Frau aus ihr gemacht und das wolle sie auch bleiben, also könnte ich ja nicht bleiben. Das müssen sie sich mal vorstellen, wenn ich bleiben würde, dann wäre sie ja nicht mehr einsam … Dann wäre sie ja nicht mehr einsam, ja?» Der Alte lacht und dann klopft er dreimal auf die Tischplatte, sagt: «Kannst ja so lange darüber nachdenken, während ich mal verschwinde.»
    Ich rauche, trinke mein Bier, rauche noch eine, trinke das Bier aus und frage mich, warum er eine Viertelstunde auf dem Thron rumtrödelt. Braucht er für alles länger, eine Affäre siebzehn Jahre und Pissen ’ne Viertelstunde? Ich pisse in zwei Minuten und meine Affäre hört auf, wenn die Frau mich satt hat, das kann nicht so lange dauern. Nur so, aus einer düsteren Ahnung heraus, gehe ich vor die Tür und sehe auf der Straße mein Auto mit der verbeulten Stoßstange, aber nicht sein Auto mit der verbeulten Stoßstange. Ich habe die Jacke gleich mitgenommen und reflektiere kurz: Ich soll auf ihn hören und von ihm lernen, oder was war das für ein Geseier gerade? Ich lerne vorerst von ihm, wie man die Zeche prellt und steige in meinen Wagen. In Schöneberg kennt mich keine Sau. Ich fahre nach Hause.
    Ich fluche, weil ich gefickt wurde, von dem Knilch, angebumst und behumbst. Ist der scheiße? Oder ist der richtig scheiße? Oder ist der so richtig scheiße? Wieder was gelernt, was ich schon wusste: Alte Menschen sind nicht weise, sondern knittrig im Kopp. Vertraue niemandem, außer dir! Alles scheiße, nix okay! Verdammt, ich weiß sein Kennzeichen nicht mal und ich weiß kaum noch, wie er aussah. Ich habe mich kein Stück für ihn interessiert, weil ich an Anton gedacht habe und an Tanja, obwohl ich an beide nicht denken will.
    Wie sah er aus, der Verbrecher? Alt, graue Haare, kariertes Hemd, Brille. Ich rauche. Ganz ruhig! Alles okay! Nach dem dritten Zug bekomme ich stechende Kopfschmerzen. Ich muss mit dem Rauchen aufhören. Ich muss mit irgendwas aufhören, mit Tanja oder dem Rauchen und das bald.

    Ich liege in Peters Bett, in seinem Jugendzimmer mit Fußballpostern an der

Weitere Kostenlose Bücher