Die Tochter der Dirne
Schmuckstück fest. „Jane, bitte lies uns den Brief des Königs vor.“
Während die Schwester die Worte las, die Solays Verlobung verkündeten, wurden die Linien im Gesicht ihrer Mutter immer deutlicher sichtbar. Als der schlichte Text zu Ende war, stand sie auf und ging zum Kamin. „Wie viel Land bringt er mit?“
„Er ist ein zweiter Sohn.“
„Selbst ein zweiter Sohn kann manchmal …“
Solay schüttelte den Kopf. „Er ist ein Rechtsgelehrter“, erwiderte sie und versuchte, die Worte ohne jeden Beiklang von Verachtung zu sprechen. Vielleicht kam das beengte Gefühl in ihrer Kehle auch von der Erinnerung daran, wie sich seine Lippen auf ihren angefühlt hatten. „Er hat etwas Besitz in London.“
„Wie viel? Wo?“
Wie konnte sie so schlecht vorbereitet sein? „Ich weiß es nicht.“
„Wie hoch ist sein Einkommen?“
Solay errötete, beschämt, weil sie auch das nicht wusste.„Mindestens vierzig Pfund im Jahr.“
„Das ist nicht gerade viel“, sagte ihre Mutter. „Er bringt dir also kein Land und wenig Geld.“
„Ich bringe selbst wenig genug mit.“
Ihre Mutter richtete sich auf und sah Solay durchdringend an. „Der König nannte dich seine Tochter. Das ist mehr als genug.“ Für ihre Mutter würde es immer so sein. Als sie so alt war wie Solay, war sie bereits seit drei Jahren die Mätresse eines Königs gewesen. Alys lehnte sich wieder zurück, und ein trauriger Ausdruck des Verstehens trat in ihre Augen. „Sag mir, Solay, warum will er diese Ehe?“
Er will sie überhaupt nicht.
Vielleicht sollte sie alles bekennen. Vielleicht sollte sie ihre Mutter darauf vorbereiten, dass sie auch hier scheitern könnte. Aber als sie die erwartungsvollen Blicke ihrer Mutter und Schwester auf sich gerichtet sah, beschloss sie, nur die halbe Wahrheit zu sagen. „Er will jemanden, der ihn liebt.“
„Was spielt das für eine Rolle?“ Ihre Mutter zuckte die Achseln.
Jane legte den Kopf schief. „Liebst du ihn?“
Sie schluckte. „Ich werde ihn davon überzeugen, ehe wir heiraten.“
„Gott hat dich mit einem Gesicht und einem Körper gesegnet, die das Blut eines Mannes in Wallung bringen“, sagte ihre Mutter. „Du kannst ihn von allem überzeugen.“
Sie nickte, unfähig, ihre Mutter mit dem Geständnis zu enttäuschen, dass ihr genau das nicht gelungen war.
„Aber“, sagte ihre Mutter, „was ist mit unserer Zuwendung?“
Jetzt konnte sie sie nicht mehr täuschen. „Der Rat hat sie verhindert.“
„Rat? Kein Rat kann einen König überstimmen!“
Also erzählte Solay ihr von dem Gesetz des Parlaments, vom Duke of Gloucester und dem Jahr, das der Rat bekommen hatte, um den König zur Räson zu bringen.
Als sie geendet hatte, starrte ihre Mutter auf die Brosche in ihrer Hand. „Dies ist also die Entschädigung des Königs für das, was er nicht geben kann.“ Sie ließ sie zurück in die Schachtel fallen, schloss den Deckel und wirkte enttäuscht.
Ihre Mutter hatte so viel ertragen müssen. Solay musste ihr etwas Hoffnung schenken. „Der König hat mir eine Zuwendung in einem Jahr versprochen, wenn …“
Ihre Mutter richtete sich auf und hob die Brauen. „Wenn was?“
„Lamont arbeitet für den Rat. Der König möchte informiert werden.“
Jane schrie leise auf. „Er will, dass du deinen eigenen Gemahl ausspionierst? Wie kannst du ihn lieben und das tun?“
Niemand antwortete ihr.
Solays Mutter nickte, als würde ihr auf einmal alles klar werden. „Der König hat das Recht zu wissen, was der Rat unternimmt. Und du wirst es ihm sagen. In einem Jahr wird er uns eine Zuwendung gewähren. Und wenn du deinen Gemahl überreden kannst, werden wir vielleicht nicht so lange warten müssen.“ Abrupt wandte sie sich wieder der Gegenwart zu. „Jetzt müssen wir mit den Plänen für die Hochzeit beginnen, die Familie des Mannes kennenlernen …“ Als sie den Ausdruck in Solays Gesicht sah, unterbrach sie sich.
„Der König verfolgt eigene Pläne.“
„Ich verstehe.“ Resignation zeigte sich auf dem Gesicht ihrer Mutter. „Und werde ich zu dieser Hochzeit eingeladen, wann immer sie sein mag?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Solay, obwohl sie es bezweifelte. „Das alles hat sich sehr schnell entwickelt.“ Sie erhob sich, um den Schmerz im Gesicht der Mutter nicht länger sehen zu müssen. „In ein paar Tagen werde ich an den Hof zurückkehren. Lady Agnes wünscht mich als Begleiterin.“ Und um ihre Affäre zu decken, aber das verschwieg sie. „Und Lord Justin
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