Die Tochter der Dirne
kümmern könnt. All das ist zu Eurem Nutzen, nicht zu dem des Königs.“ Sie lehnte sich an ihn. „Glaubt Ihr nicht, Ihr könntet die Reise genießen?“
Bei ihrer Berührung pulsierte sein Blut heftig durch die Adern. Ihr Körper hatte ihn von Anfang an gereizt, doch jetzt, da er sie gesehen hatte, schien er ständig erregt zu sein.
„Genuss ist nicht das Wort, das ich gebrauchen würde.“ Nun, da er gelobt hatte, sie nie anzurühren, quälte ihre Nähe ihn umso mehr. Wenn sie so wie jetzt gegen die Kälte eingehüllt war, konnte er kaum ihre weiblichen Rundungen erkennen, doch ihre Kleidung spielte keine Rolle. Er sah sie so, wie sie in jener Nacht am Feuer ausgesehen hatte – die Brüste, die unter dem dunklen Haar hervorsahen, ihre glatte, helle Haut, das dunkle Dreieck zwischen ihren Schenkeln.
„Welches Wort würdet Ihr dann wählen?“
Er presste die Lippen aufeinander. „Folter.“
Sie lachte. „Dies ist eine Folter, die bald zu Ende gehen wird.“
„Ja. Ich beende sie, wenn Ostern gekommen ist“, sagte er und ging hinaus.
Er hatte sich täuschen lassen, als sie ihm einen Blick auf geheuchelten Schmerz gewährte, er hatte nicht aufgepasst und war wie Sir Galahad, der galante Ritter der Tafelrunde, angetreten in dem Glauben, sie vor dem König beschützen zu müssen.
Offenbar brauchte sie diese Hilfe nicht. Tatsächlich war er derjenige, dem Gefahr drohte.
Ihre Mutter hatte die Ehe nicht respektiert, und sie tat es ebenso wenig. Vielleicht wusste sie nicht einmal, was eine Ehe bedeutete.
Vielleicht war es an der Zeit, dass er es ihr zeigte.
Als der Hof sich zum Aufbruch bereit machte, halfen zwei Stallburschen Solay in den Damensattel, den Königin Anne beim Reiten bevorzugte. Statt sicher auf dem Pferd zu sitzen, hockte sie nun unsicher auf einem kleinen Sitz mit einer Fußstütze.
Trotzdem hob sich in der milden Vorfrühlingsluft des Februars ihre Stimmung, als sie in Richtung Nottingham ritten. Sie und Justin reisten gemeinsam mit dem Hof. Jane hatte zum ersten Mal Geburtstag gefeiert. Vielleicht würde alles gut werden.
Ohne eine eindeutige Position im Haushalt des Königs innezuhaben, ritten sie und Justin etwas unbeholfen zwischen dem berittenen Hofstaat und den Fußgängern. Hinter ihnen folgten Diener, freie Bauern und Hofbeamte, dahinter rumpelten die Karren mit Leinen, Kleidung, Betten, Tellern, Musikinstrumenten, Schalen für die Messe und hundert anderen Dingen, die der königliche Haushalt benötigte.
Vor ihnen ritten König und Königin, Hibernia, Agnes und die anderen Edelfrauen sowie eine Reihe von Lakaien, Reitknechten und Bewaffneten. Ungeduldig galoppierte der König mit halsbrecherischer Geschwindigkeit voran und holte den Trompeter ein, der ihre Ankunft melden sollte. Bald war der Monarch nur noch eine einsame Gestalt in der Ferne, winzig unter dem klaren blauen Himmel.
Justin dagegen erschien nicht klein unter dem Himmel, als er neben ihr ritt. Das Lächeln, das ihr so gefiel, war verschwunden, stattdessen betrachtete er mit gerunzelter Stirn Agnes und Hibernia, die Seite an Seite ritten.
„Seine Gemahlin würde weinen bei diesem Anblick“, meinte er. Der Demütigungen müde, war Hibernias Frau in ihrem Schloss in Essex geblieben. „Es schmerzt mich.“
„Sie tun nichts anderes als der übrige Hofstaat. Was stört Euch an diesen beiden so?“, fragte sie, ehrlich neugierig.
„Er verstößt gegen sein Gelübde“, sagte er, und es klang wie eine Warnung.
Bei jedem Schritt des Pferdes schwankte ihr Sattel von einer Seite zur anderen, und sie klammerte sich an der Mähne fest, um nicht herunterzufallen. „Welche Frau kann schon einen treuen Ehemann erwarten?“
„Meine.“ Das klang so besitzergreifend, dass ihr heiß wurde.
Zuerst verlangte er Liebe. Jetzt versprach er Treue. Welcher Mann erwartete in einer Ehe so viel Leidenschaft? Bei einer Heirat ging es um Besitz und um Schutz. Leidenschaft gab es, wenn überhaupt, nur außerhalb des Ehebettes.
„Dann werde ich ein ungewöhnliches Leben führen“, erwiderte sie und versuchte, ruhig zu sprechen. „Selbst die Dichter schreiben Hymnen der Liebe für die Frauen anderer Männer.“
„Ich werde nicht nur treu sein, ich verlange auch eine treue Gemahlin.“
„Dann werde ich das natürlich sein“, erwiderte sie, als hätte sie es auswendig gelernt.
Er packte die Zügel, und ihr Pferd blieb so abrupt stehen, dass sie beinahe aus dem Sattel fiel. „Sprecht diese Worte nicht leichtherzig!“ Eine
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