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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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kostbaren Moment des Friedens nicht zu verderben. Selbst der Wind hatte nachgelassen, und draußen legte sich der Schnee über die Welt wie eine warme Decke.
    Die Worte „Ich liebe Euch“ lagen ihr auf der Zunge.
    „Danke“, sagte sie stattdessen.
    „Wenn Ihr Agnes die Wahrheit sagen könnt“,fuhr er fort,„warum könnt Ihr nicht mit mir ehrlich sein?“
    Seine Worte machten den Frieden zunichte, und ihre Angst flackerte wieder auf. Er wollte mehr. Und was noch furchteinflößender war – sie wollte es ihm geben. Ihm sagen, dass die Bedingung, die er gestellt hatte, nur zum Lügen aufforderte. Ihm sagen, dass sie wünschte, auch er würde sie lieben, so wie sie war. Ihm sagen …
    Sie ließ das Buch sinken und legte wieder die heitere Maske an. „Ich tue für Euch, was ich für Agnes tue“, erklärte sie leichthin. „Nennt mir Euren Geburtstag, und ich beschreibe Euch, was in den Sternen steht.“
    „Ich will das nicht wissen.“
    Er hatte dieser Frage schon früher widerstanden. Sie wunderte sich über seine Zurückhaltung. „Es muss natürlich der Tag des heiligen Justin sein.“
    „Nein.“
    Sie stand auf, um ein Feuer zu schüren, das bereits munter brannte. „Welcher Tag also war es, an den Eure Mutter sich so deutlich erinnert?“
    Er presste die Lippen aufeinander und blieb stumm.
    „Ihr wollt es mir nicht sagen?“ Sie legte den Schürhaken hin und presste in übertriebenem Erstaunen eine Hand an die Brust. „Gibt es eine Wahrheit, die Justin Lamont nicht aussprechen will?“
    Sie hatte erwartet, dass er lächelte, doch stattdessen schien seine Miene zu versteinern. Also verbarg auch Justin etwas. Er bestand darauf, dass sie alles über sich enthüllte, aber wovor hatte er Angst? Was sollte sie nicht wissen?
    Justin stapfte im verschneiten Innenhof von Nottingham Castle herum und atmete tief die eisige Luft ein. Er hatte sich wie ein trotziges Kind benommen, unfähig, eine Lüge auszusprechen, und unfähig, die Wahrheit zu sagen. Es war egal, ob sein Geburtstag am Tag des heiligen Michael, des heiligen Lukas oder der heiligen Anna war. Er sollte es ihr nur einfach sagen.
    Aber er fürchtete, wenn sie für ihn die Sterne deutete, könnte sie in seine Vergangenheit sehen. Dann wüsste sie, wie unwert er war.
    Seine Mission, sie zur Wahrheit zu bringen, begann zu funktionieren. Allmählich, ganz allmählich enthüllte sie mehr von sich.
    Der Himmel mochte ihn davor bewahren, dass sie dasselbe von ihm erwartete.
    Nein, er musste sie ablenken. Solange sie sich ihm beweisen musste, behielt er die Kontrolle.
    Er musste sie weiter ausfragen und doch dafür sorgen, dass sie ihm nicht näherkam. In ein paar Wochen würde die Fastenzeit vorbei sein, und dann konnte er dieses Verlöbnis auflösen.
    Was würde der König dann mit ihr machen? Nun, das war nicht sein Problem. Trotz ihrer leidvollen Vergangenheit würde Solay alles überleben.
    Wenn nur Blanche ebenso stark gewesen wäre.

15. KAPITEL
    Nachdem sie wegen des Sturms tagelang im Schloss gefangen gewesen war, lächelte Solay beim Anblick des klaren Himmels am Markttag in der Mitte der Woche. Nach der Hauptmahlzeit brachen König und Hofstaat auf, um den Fortschritt an der neuen St. Mary’s Kirche zu begutachten, und ließen das Schloss seltsam leer zurück.
    Niemand bat sie mitzukommen.
    Ruhelos legte sie Agnes’ Karte zur Seite, wanderte durch die Gänge und dachte dabei über Justins Widerstreben nach, ihr seinen Geburtstag zu nennen. Plante er mehr gegen den König, als sie ahnte?
    Zu ihrer Überraschung fand sie ihn in der Großen Halle vor, wo er durchs Fenster auf den schmelzenden Schnee starrte. Sie war so konzentriert darauf gewesen, wie wenig man sie am Hofe willkommen hieß, dass sie vergessen hatte, dass auch er nicht gerade mit offenen Armen empfangen wurde. Der König hatte diese Reise unternommen, um sich mit seinen Günstlingen zu umgeben und weit weg zu sein von den gegen ihn arbeitenden Lords. In dieser Gesellschaft war Justin ein Außenseiter.
    Das hatten sie beide gemeinsam.
    „Ich bin seit Tagen in diesen Mauern eingesperrt gewesen und möchte etwas von der Stadt sehen“, sagte sie. „Wollt Ihr mich begleiten?“
    Er lächelte etwas schief. „Da Ihr so offen wart, mir zu sagen, was Ihr wollt, kann ich kaum ablehnen.“
    Als sie das Schloss verließen, fiel schmelzender Schnee von den Mauern, dass es spritzte wie Regentropfen. Er legte eine Hand auf ihren Arm, um sie zu führen. Erschrocken erstarrte sie, zuckte aber

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