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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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nicht zurück. Dann ließ er seine warme, bloße Hand tiefer gleiten und umfasste ihre Finger.
    Der Marktplatz summte vor Leben. Verkäufer von Holz, Wasser, Leder und Töpferwaren hofften, die Wünsche der Hundertschaft von Gästen im Schloss zu erfüllen.
    „Wir werden bald weiterziehen müssen“, sagte Justin, als er sah, wie der überarbeitete Koch des Königs um Zwiebeln feilschte. Der Hof hatte Nottinghams Gastfreundschaft beinahe erschöpft – und auch seine Speisekammern.
    „Haltet diesen Jungen fest!“, rief plötzlich jemand. „Er ist ein Dieb!“
    Ein kleiner Junge mit einem Laib Brot lief auf sie zu, der Brotverkäufer folgte ihm auf den Fersen. Einige aus der Menge wollten ihn festhalten, aber es war Justin, der den Jungen am Hemd zu fassen bekam.
    Der Kleine zappelte in seinen vom Schnee durchfeuchteten Lumpen und sah zu ihm auf. „Er nahm mein Geld, Sir, aber er wollte mir das Brot nicht geben.“
    Solay berührte den Jungen an der Schulter und sah Justin flehend an. Es war leicht, die Machtlosen zu betrügen. Sie kannte die Verzweiflung eines leeren Magens. Kannte Justin das auch?
    Seine ernste Miene zeigte kein Mitleid.
    Der dicke Bäcker kam schwer atmend näher und griff nach dem Brot, aber der Junge presste es an seine Brust. Justin hielt die Hand des Mannes fest und schützte den Jungen mit seinem Umhang.
    Der Bäcker sah das Hermelinfutter von Solays Umhang und begriff, dass er Mitgliedern des königlichen Haushalts gegenüberstand. Er trat zurück und verneigte sich vor Justin. „Danke, Sir, dass Ihr den Dieb gefangen habt. Ich werde ihn der Gerechtigkeit zuführen.“
    Das verräterische Brot war zwischen dem mageren Arm des Jungen und seinem schmächtigen Körper deutlich zu sehen.
    „Dieb? Seid Ihr sicher?“, fragte Justin. „Wir sprachen gerade über die leeren Vorratskammern der königlichen Tafel, als der Junge diesen Laib nahm. Vielleicht sollten wir mehr von Euren Waren ansehen.“
    Solay musste sich sehr beherrschen, um ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. Die Worte, die für sich genommen alle der Wahrheit entsprachen, waren mit dem Geschick des Anwalts so zusammengefügt, dass sie tatsächlich eine Lüge darstellten.
    Der Bäcker leckte sich die Lippen, seine unterwürfige Miene wurde gierig. „Für den König, sagt Ihr? Nun, ich backe das beste Brot in Nottingham.“
    Die Menge, die dem Bäcker auf seiner Jagd gefolgt war, widmete sich wieder ihren Einkäufen.
    Justin zog das zerdrückte Brot unter dem Arm des Kindes hervor und hielt es in einer Hand, als wollte er das Gewicht schätzen. Die zerbrochene braune Kruste teilte den runden Laib fast ganz in zwei Hälften. „Das hier scheint mir recht leicht. Seid Ihr sicher, dass es den Vorgaben für die Maße von Brot und Bier entspricht?“
    Der Bäcker wirkte bestürzt. „Nun ja. Ich – das heißt, ich meine …“
    Solay verbarg ihr Lächeln hinter einem Husten, während der Mann weiterplapperte. Nur Justin konnte darauf kommen, dem Mann mit den königlichen Gesetzen zu Gewicht und Maßen zu drohen.
    „Nun, wenn Ihr sicher seid, können wir es einfach wiegen, um es zu bestätigen.“
    Der Mann legte seine Hände auf Justins Schultern, als wären sie alte Freunde. „Das ist nicht nötig, Sir. Falls Ihr irgendwelche Zweifel habt, überlasse ich es Euch einfach.“
    Ein Lächeln, das nur sie bemerkte, umspielte Justins Lippen. Der Junge beugte sich vor, als wollte er gleich davonlaufen, doch Justin hielt ihn fest.
    „Wie großzügig“, sagte er. „Das wäre nur gerecht, da Ihr doch Eure Bezahlung bereits erhalten habt.“
    Der Mann erbleichte und wich zurück, ohne Justin dabei aus den Augen zu lassen. „Ihr werdet sehen, es ist gutes Brot, und das Gewicht ist angemessen.“ Er deutete auf einen Stand, über dem ein grünes Banner flatterte. „Kommt an meinen Stand, dort werdet Ihr noch viele mehr finden, alle geeignet für die Tafel des Königs.“
    Als der Bäcker fort war, drehte Justin den Jungen herum, ohne seine Schulter loszulassen.
    In den Augen des Kindes sah er Furcht und Bewunderung. „Danke, Sir.“ Seine Stimme zitterte ein wenig, und er leckte sich die Lippen, während er den verlorenen Laib betrachtete. „Ich hoffe, der König genießt sein Brot.“
    Justin reichte ihm den Laib zurück. „Ich denke, du wirst es mehr genießen.“
    Zuerst blinzelte das Kind erstaunt, dann fasste es den Mut zu einem Lächeln. „Gott segne Euch.“
    „Beim nächsten Mal werde ich nicht hier sein, um dich zu

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