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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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retten.“
    Der Junge ballte die Hände zu Fäusten, als wollte er wieder kämpfen. „Aber er hat mich betrogen!“
    Justin hockte sich nieder und sah dem Jungen in die Augen. „Ich weiß, dass er ein Unrecht getan hat, aber das gibt dir kein Recht zu stehlen, nicht einmal, um das zu bekommen, was rechtmäßig dir gehört.“
    Der Junge ließ den Kopf hängen. „Ja, Sir“, murmelte er.
    „Hast du eine Mutter?“
    Der Junge nickte.
    „Dann gib ihr dies hier.“ Justin erhob sich und zog eine Münze heraus. „Und sag ihr, sie soll gute Wolle kaufen, Ale und eine Gans.“
    Das Kind kniete sich in den Schnee und umklammerte dankbar Justins Hand, dann rannte es davon, das Brot in der einen, die Münze in der anderen Hand.
    Mit großen Augen sah Solay zu, nicht sicher, ob neben ihr noch immer der Justin stand, den sie kannte. „Ihr lasst ihn gehen?“
    Justin zuckte die Achseln und wandte sich dann wieder zum Schloss. „Der Mann hat ihn betrogen. Der Junge hat das nur ausgeglichen, mehr nicht.“
    „Aber nach dem Gesetz haben sich beide falsch verhalten“, sagte sie verwirrt. „Ich dachte, Ihr würdet beide vor Gericht bringen.“
    Er blieb stehen und sah sie an, und in seinen Augen sah sie ein Erstaunen, weil sie die offensichtliche Antwort nicht erkannte. „Wer würde dem Jungen glauben?“
    Es lag ihr auf der Zunge zu sagen, dass hier die Macht stärker war als das Recht, als sie begriff, was er getan hatte. „Es geht Euch nicht nur um das Gesetz, oder? Es geht Euch wirklich um Gerechtigkeit.“
    Er legte den Kopf schief, als würde er ihre Worte nicht verstehen. „Habt Ihr etwas anderes gedacht?“
    Sie wusste nicht mehr, was sie von Justin Lamont denken sollte. War er ein Mann des Gesetzes, der nichts tun würde außer dem, was im Gesetz geschrieben stand? Oder benutzte er das Gesetz nur, um seine Vorstellungen von Gerechtigkeit zu verwirklichen?
    „Was wollt Ihr dem König sagen?“, fragte er. Er nahm also an, dass sie Richard über alles, was geschehen war, berichten würde.
    Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. „Der König interessiert sich nicht für einen gestohlenen Laib Brot.“
    Zur Belohnung erhielt sie ein amüsiertes Lächeln.
    Solays Worte ließen ihn nicht los, während sie zurückgingen zum Schloss und die untergehende Sonne den Horizont golden einfärbte.
    Es geht Euch wirklich um Gerechtigkeit.
    Das Erstaunen in ihrer Stimme hatte ihn verletzt. „Haltet Ihr mich wirklich für ein Ungeheuer, das einen unschuldigen Jungen bestraft?“
    Sie legte den Kopf schief. „Ihr rühmt Euch damit, das Gesetz buchstabengetreu zu vertreten. Ich dachte, mit weniger würdet Ihr Euch nicht zufriedengeben.“
    Sein Vater hätte es getan. Sein Vater hätte den Jungen wie auch den Bäcker bestraft. „Ich habe getan, was gerecht war.“
    Der Blick aus ihren Augen, die so veilchenfarben waren wie der Himmel am frühen Abend, ruhte auf seinem Gesicht. Er sah sie an und stellte überrascht fest, dass er sie mit seiner Antwort erfreuen wollte. Wie war es dazu gekommen? Sie sollte seine Billigung erringen, nicht er sich nach der ihren sehnen.
    „Wie entscheidet Ihr, wann Euer Urteil über dem des Gesetzes steht?“
    Er öffnete den Mund, um „niemals“ zu antworten, doch dann erinnerte er sich an einmal, vielleicht zweimal, wo es gewesen war wie heute, als die Situation so offensichtlich falsch gewesen war …
    Erschrocken schloss er den Mund. Als sie ihm nur geschmeichelt hatte, war das Leben einfacher gewesen. „Diese Gelegenheiten sind außerordentlich selten.“
    „Über den Jungen habt Ihr entschieden aufgrund dessen, was Euch richtig erschien. Würdet Ihr dasselbe bei Eurer Arbeit im Rat tun?“
    Er verspürte ein unbehagliches Gefühl. Für einen Laib Brot mochte der König sich nicht interessieren, aber sehr wohl für den Rat. „Das Parlament hat uns volle Autorität verliehen.“ Mehr noch. Das Parlament hatte ein Gesetz verabschiedet, nach dem jeder mit dem einverstanden sein musste, was der Rat tat.
    „Aber wenn Ihr Euer Urteil über das Gesetz stellen könnt, wo liegt dann der Unterschied zwischen Euch und dem König?“
    „Mir liegt am Herzen, was richtig ist“, sagte er leise. „Der König interessiert sich nur für seine eigene Macht.“
    Sie betraten das Schloss, und er zog sie in einen der Alkoven. Er versuchte, in ihrem Blick zu lesen. Ihr Körper verlockte ihn, und diesmal wehrte er sich nicht dagegen. Er wollte seine Macht bestätigt wissen. Wenn er sie küsste, würde er

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