Die Tochter der Dirne
Dann sagt sie mir.“
Justin antwortete nicht. Irgendwann waren auch Agnes und Hibernia verstummt, und Stille lag über dem Korridor.
Erschrocken sah sie, wie er kein Wort herausbrachte, als wäre die Wahrheit für ihn so schwer auszusprechen wie für andere Sterbliche. Ein wenig unsicher erhob er sich, zog seine Kleidung zurecht und vermied es, sie anzusehen.
Endlich drehte er sich zu ihr um. „Die Wahrheit lautet: Würdet Ihr mich kennen, so würdet Ihr diese Heirat ebenso wenig wollen wie ich.“
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern ging mit geballten Fäusten davon. Das flackernde Licht der Fackel ließ seinen goldenen Ring aufblitzen.
Die Wahrheit siegt über alles.
Sie umschlang ihre Knie und ließ den Kopf sinken. Es stimmte. Wenn sie einen Verräter liebte, würde die Wahrheit sie alle besiegen.
17. KAPITEL
Ein paar Tage später blickte Solay in Agnes’ hoffnungsvolles rundes Gesicht und dann auf die Karte, die sie zwischen ihnen auf dem Bett ausgebreitet hatte. Der König und Hibernia waren nach Lincoln aufgebrochen, daher konnte sie Agnes die Sterne deuten, ohne sich vor Entdeckung fürchten zu müssen.
Wenn sie sich nur entscheiden könnte, was sie sagen sollte.
Obwohl sie nicht viel Übung besaß, lag der äußere Rahmen klar und deutlich vor ihr. Das Haus der Beziehungen war voller Leidenschaft, und es gab Anzeichen für einen großen Umbruch. War es eine Veränderung, die noch bevorstand, oder bezog sich das auf die Reise, die Agnes und die Königin von Böhmen nach England geführt hatte?
Sprecht nur die Wahrheit, würde Justin sagen. Doch während er von der Wahrheit sprach, barg er selbst Geheimnisse. Seit jener Nacht hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen.
Agnes verschränkte die Hände und presste sie zusammen, bis die Knöchel weiß hervortraten.
„Bitte, fangt an“, sagte sie aufgeregt. „Ihr habt etwas Gutes herausgefunden, nicht wahr?“
„Nun, vielleicht …“
„Ich wusste es!“ Sie hüpfte auf dem Bett auf und nieder, übermütig vor Freude.
Solays gute Absichten gewannen die Oberhand. Wenn sie die Wahrheit ein wenig verschönerte, um ihrer Freundin etwas Glück zu schenken, was konnte das schaden?
Agnes beugte sich vor wie ein Kind, das an Weihnachten auf ein Geschenk wartet. „Was steht in den Sternen?“
Solay nahm Agnes’ Hände. „Im Haus der Beziehungen sehe ich eine große Veränderung.“
„Also werden wir zusammen sein?“ Agnes hielt den Atem an, als hinge ihr Leben von dieser Antwort ab.
Solay nickte. Es war keine richtige Lüge.
Agnes traten die Tränen in die Augen, und sie stand auf, wobei sie Solay ihre Hände entzog. „Ich kann es nicht erwarten, es ihm zu sagen.“
Solay erschrak. „Nein! Das dürft Ihr nicht! Der König hat mir verboten, die Sterne zu deuten. Und vor ihm hat der Duke keine Geheimnisse.“
„Aber er wird so glücklich sein. Er wird dafür sorgen, dass der König Euch verzeiht.“
Solay ließ nicht locker. „Bitte. Es wäre schlecht für mich. Bewahrt nur in Eurem Herzen, dass alles gut werden wird.“ Eine vage Hoffnung, aber mehr konnte sie nicht sagen.
„Dann wird es also möglich sein“, flüsterte Agnes zu sich selbst. „Ich hatte nicht daran geglaubt.“
Solay sah zu, wie das Mädchen vor Freude durch den Raum tanzte. Vielleicht war für manche Menschen, vielleicht war für Agnes die Liebe möglich.
Bis Justins Vorladung eintreffen und Agnes ihren Geliebten vielleicht vor Gericht wiederfinden würde.
Da war es, genau vor ihrer Nase, das Unglück, vor dem die Sterne sie warnten. Vor dem König hatte sie die Information zurückgehalten, aber Agnes war ihre Freundin.
Doch war sie sicher, dass es um Hibernia ging? Sicher genug, um es Agnes zu sagen? Und wenn sie das tat, was würde dann aus Justin werden?
Agnes summte und lachte, viel glücklicher, als Solay es sich jemals für sich selbst vorstellen konnte.
Nein, es war besser, Agnes noch nichts zu sagen.
„Oh Solay, es wird so herrlich sein! Der Papst wird Ja sagen, und wir …“ Sie biss sich auf die Lippe. „Mehr darf ich nicht verraten.“
Wenn der Papst unserer Bitte wohlgesinnt war. Konnte der Bote, den der König erwartete, etwas mit Agnes zu tun haben?
Freudentränen standen Agnes in den Augen, als sie vor ihr niederkniete. „Ich werde dafür sorgen, dass Ihr belohnt werdet, wenn das alles vorüber ist.“
Solay schenkte ihr ein trauriges Lächeln. „Ihr könntet Hibernia vorschlagen, dass dem König besser gedient wäre, wenn
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