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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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für sie zu beherrschen, die ihn schon damals zu überwältigen drohten. „Ich wollte das nicht noch einmal riskieren. Und ich konnte nicht einen weiteren Menschen in eine Ehe mit jemandem zwingen, den er nicht liebt.“
    „Liebst du sie noch?“
    Er dachte an die schmerzlichen Bilder zurück und suchte nach einer Antwort. „Ich bin nicht sicher, ob ich sie überhaupt geliebt habe.“
    „Und doch hast du keine andere Braut gewählt.“
    Er schüttelte den Kopf. „Dafür könntest du Blanche die Schuld geben.“
    „Du gibst nicht ihr die Schuld. Du gibst dir selbst die Schuld.“
    Schmerz durchfuhr ihn, so scharf wie ein Pfeil. Er sah sie noch immer vor sich. Das würde immer so sein. Ihre blauen Augen, erst so verführerisch, dann, an jenem letzten Tag, voller Schmerz. Mit einem Wort hätte er sie freigeben können. Dann hätten sie und ihr Kind überlebt.
    Er musste Solay gegenüber die Wahrheit eingestehen und sie dann verlieren. „Ich habe sie umgebracht. Das ist die Wahrheit, die ich dir nicht gesagt habe.“
    „Nein“, flüsterte sie. „Das ist die Lüge, die du dir selbst eingeredet hast.“
    Erschrocken sah er sie an. In ihren Augen lag kein Urteil. Kein Vorwurf. Nur Mitleid, Zärtlichkeit und Verständnis.
    Er widerstand ihrem Trost. „Du kannst es nicht wissen. Du warst nicht dabei.“ Er hatte so hart gearbeitet, in der Hoffnung, eines Tages genug Gerechtigkeit in die Welt bringen zu können, um seine Sünde wiedergutzumachen. „Mein Urteil war ihr Todesurteil. Das kann ich mir niemals verzeihen.“
    „Wenn du das nicht tust, wird sie dich bei sich am Grund der Themse festhalten.“
    Die Liebe in Solays Augen, als sie die Arme nach ihm ausstreckte, sprach von Vergebung.

26. KAPITEL
    Einige Tage später saß Solay mit ihrer Mutter still im Wohngemach der Familie, als sie beschloss, das Thema William Weston anzuschneiden.
    Justin hatte sich seiner Vergangenheit gestellt. Vielleicht könnte sie dasselbe tun.
    Zur Vorbereitung auf den Fall las ihre Mutter verschiedene Dokumente. Seltsam, dass der geheimnisvolle William Weston ihr Leben ebenso vollständig beanspruchte, wie es einst der König getan hatte.
    Sie erinnerte sich kaum an den Mann, den ihre Mutter geheiratet hatte. Er war in ihr Leben geplatzt, als sie elf war, und innerhalb von zwei Jahren war er wieder fort gewesen. Von diesen zwei Jahren hatte er die meiste Zeit damit verbracht, das Parlament davon zu überzeugen, Lady Alys’ rechtmäßiger Ehemann zu sein. Als er vor drei Jahren starb, hatten sie nicht einmal an seiner Beerdigung teilgenommen.
    Und doch hatte er ihre Mutter geheiratet. Und die paar Male, die sie ihn gesehen hatte, hatte er zwar kaum mit ihr gesprochen, sie aber beobachtet wie ein Hund, der ein Reh verfolgt.
    Sie machte noch einen Stich, dann ließ sie Justins Tunika sinken. „Was für ein Mann war William Weston?“
    Ihre Mutter blickte von dem Pergament auf. „Warum fragst du?“
    Solay strich die verbrannten Ränder des Stoffes glatt und zuckte die Achseln, als wäre die Antwort unwichtig. „Wie sollte ich nicht neugierig sein? Unser Leben und unser Prozess drehen sich um ihn. Hast du ihn gut gekannt, ehe du ihn geheiratet hast?“
    Ihre Mutter sah ihr gerade ins Gesicht. „Er war am Hof. Man kennt die Leute am Hofe.“
    „Habe ich ihn je dort gesehen?“
    „Du warst sehr jung, und er war oft in Irland. Der König schickte ihn dorthin, um die Rebellion niederzuschlagen.“
    „Wie war er?“
    „Ein Mann. Nur ein Mann. Ganz bestimmt kein König.“
    „Wie sah er aus?“
    „Was spielt das für eine Rolle?“
    „Ich will es wissen.“
    „Es ist lange her.“
    „Er war dein Ehemann. Erinnerst du dich nicht an ihn?“
    Ihre Mutter seufzte. „Er war viel älter als ich.“
    „Das war der König auch.“
    „Soweit ich mich erinnere, war er groß, stark und hatte sehr dunkles Haar.“
    „Welche Farbe hatten seine Augen, Mutter?“
    „Blau, wie die des Königs, aber dunkler.“
    „Wann hast du ihn geheiratet?“
    „Ich weiß es nicht mehr.“
    Solay sah sie ungläubig an. „Du weißt es nicht mehr? Wie kannst du dich nicht an deine Hochzeit erinnern?“
    Und doch gab es vieles, an was ihre Mutter sich nicht erinnerte. An ihren Geburtstag. An Janes Geburtstag.
    „Welchen Unterschied macht das?“
    „In diesem Prozess macht es einen großen Unterschied.“ Ihr ganzes Leben lang hatte sie gewusst, dass es einige Dinge gab, über die nicht gesprochen wurde. Sie hatte nie gefragt. Aber das war vorbei.

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