Die Tochter Der Goldzeit
Der Gedanke, dass Torya die Gardisten weniger zu seinem Schutz als vielmehr zu seiner Bewachung abkommandiert haben könnte, kam ihm lange nicht. Und viel zu lange durchschaute Jacub nicht, dass es die größte Angst der Königin war, ihn wieder zu verlieren.
Einmal, als er das Gemach betrat, das er und Yiou bewohnten, traf er dort eine junge Dienerin an, die sauber machte und seine gewaschenen Kleider in die Kleidertruhe legte. Er plauderte ein wenig mit ihr, erkundigte sich nach ihrer Familie und bedankte sich für die frisch gewaschene Wäsche.
Am nächsten Tag sah er sie von weitem: Ihr rechtes Auge war blau verfärbt, ihre Unterlippe geschwollen. Er wollte sie fragen, was ihr zugestoßen war, doch als würde sie seine Nähe fürchten, huschte sie zur Turmtreppe und verschwand.
»Das ist die Strafe«, sagte Burgas, der zufällig vorüberging.
»Die Strafe?« Jacub begriff nicht, wovon der Zweite Throngardist sprach. »Wofür?«
»Dafür, dass sie mit dir geredet hat.« Das von vielen Narben zerklüftete Gesicht des Hünen verzog sich zu einem Grinsen. »Die Königin kann böse werden, weißt du? Und sehr zornig.«
Drei Monde lebte Jacub schon in Albodon, als das geschah. Danach erst fiel ihm auf, wie eifersüchtig Torya darauf achtete, junge Frauen von ihm fernzuhalten. So sah sie es nicht gern, wenn er auf den Markt ging, wo Bauerntöchter aus dem Umland ihre Waren verkauften. Auch lud sie ihn nicht ein, wenn sie ein Festmahl für einen Thronritter gab, den seine ledigen Töchter begleiteten. Und nur die älteste ihrer Dienerinnen ließ sie noch in seine Nähe.
»Du weißt, dass ich weiter muss, wenn der Winter vorbei ist«, sagte er eines Nachts zu ihr. »Du weißt, dass ich meinem Gott versprochen habe, die Lichterburg und den Goldzeitschatz zu suchen.«
Torya schlang die Arme um ihn, als hätte sie nicht zugehört. »Du und ich, wir gehören zusammen. Ich bin so froh, dass du bei mir bist.« Unter ihren zärtlichen Lippen und Händen verblasste der Gedanke an die Lichterburg und den Goldzeitschatz wieder.
In einer anderen Nacht, als sie erschöpft von der Liebe auf den Kissen lagen, Früchte aßen und Wein tranken, sprach Jacub von Cahn Rosch und seiner Sippe. Er sprach auch davon, dass er eines Tages aufbrechen musste, um die Mörder seiner Familie zu suchen und Rache zu nehmen.
Torya aber schmiegte sich an ihn. »Du wirst für immer bei mir bleiben, nicht wahr?«, flüsterte sie.
Jacub schwieg und starrte in die Flammen des Kamins.
»Ich weiß es«, sagte sie. »Dich haben die Götter mir bestimmt! Für immer gehörst du mir, nicht wahr?«
Sie küsste ihm die Antwort von den Lippen.
So ging es oft. Sein Leben erschien ihm wie ein Traum in dieser Zeit, wie ein Schwelgen in Wollust und Überfluss. Dass dieser Traum einmal zu Ende gehen könnte, kam ihm nicht in den Sinn.
Das geschwollene Gesicht der jungen Dienerin war die erste Störung des schönen Traums. Die zweite erlebte Jacub, als er zu Beginn des neuen Jahres mit Yiou und seiner bewaffneten Eskorte am Hafen entlangging und den Arbeitern in der Werft zuschaute. Zwei Männer hockten an einem Feuer, aßen Brot und tranken Wein. Vielleicht fühlten sie sich unbeobachtet, vielleicht glaubten sie, er beherrsche ihre Sprache nicht - jedenfalls hörte Jacub den Älteren sagen: »Da geht er, der Rotschopf, und führt sein stolzes, freies Tier an der Kette wie andere ihren fettsüchtigen Schoßcaniden. Führt ihn so nicht auch die Königin am unsichtbaren Halsband ihrer Liebeskünste, wohin sie will?«
Jacub blieb stehen, als wäre er festgefroren - dann fuhr er herum, stürzte sich auf den Mann und packte ihn am Kragen. »Was fällt dir ein, Kerl?«
Der Alte erbleichte. Jacub ballte die Faust und holte aus.
»Lass ihn, ich bitte dich!« Der zweite, jüngere Mann hielt Jacubs Arm fest. »Der Wein hat seine Sinne getrübt - bitte verzeih ihm, Ritter von Eyrun!«
Jacub stieß den Alten zu Boden und ging; die Worte des Spötters aber begleiteten ihn. Sie verfolgten ihn viele Tage und Nächte lang. Nach und nach begann sein Verstand wieder zu arbeiten.
Das Erlebnis, das ihn am meisten erschütterte, ereignete sich jedoch zu Beginn des zweiten Wintermondes im neuen Jahr. Es begann damit, dass ihn Burgas, der Zweite Throngardist der Königin, zur Seite nahm. »Der Kerkermeister Korban hat mir neulich erzählt, er hätte mal einen von diesen Kerlen auf der Folterbank gehabt, die dein Dorf und deine Sippe auf dem Gewissen haben. Noch gar nicht lange
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