Die Tochter Der Goldzeit
Segeln sie mit einer Flotte? Ziehen sie über Land? All das wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass wir jeden Kämpfer brauchen und um jeden Preis vor ihnen an der Lichterburg sein müssen. Dazu müssen wir den Weg dorthin erfahren! Hagobaven oder Altbergen - bald werden wir eine der beiden Goldzeitburgen erobern. Dann wissen wir mehr!«
»Im Namen Dashirins!«, rief nun Maragostes. »Auf in den Kampf!« Die Krieger hoben ihre Waffen und jubelten, die Bürger Savasoms stimmten Hochrufe an und klatschten in die Hände. Der Eisenriese wandte sich endlich von Bosco ab, stapfte über den Platz und winkte seine Wildsaujäger und Jusarikaner hinter sich her. Etwas löste sich in Boscos Brust, erleichtert atmete er durch: Der Eisenkerl hatte ihn nicht wiedererkannt!
Neben dem niedergebrannten Schreivogelstall kläfften die gescheckten Mammutcaniden dem Titan entgegen, sein gewaltiger Rinkuda-Stier scharrte mit den Hufen. Ein Dutzend Möwen und ein Schwarm kleiner grauer Rabenvögel hockten auf dessen abgesägtem Gehörn. Einige flatterten auf und ließen sich auf dem schwarzen Eisenkerl nieder. Der hob den Arm und winkte. »Alles wird gut!«
Inmitten seiner Kriegsrotte ritt er bald darauf zum Stadttor. Bosco sah dem schwerbewaffneten Haufen hinterher, und Sorge mischte sich in seine Erleichterung: Wenn Tiban den Nordsund nicht vor Kriegern wie diesen erreichte, wenn es ihm nicht gelang, Hagobaven zu warnen, dann war auch die Nordsozietät verloren.
Schreie und stampfende Schritte wurden plötzlich laut. Alle fuhren herum: Die bärtigen Wildsaujäger flohen aus Shoshacs Hof. Einen packte der Magier unter dem Torbogen, hielt ihn fest und schüttelte ihn. »Was ist in euch gefahren? Hat sie euch verhext?«
Der Mann zitterte, seine Augen waren weit aufgerissen, die Gesichtshaut hatte die Farbe von sonnengebleichtem Lehm. »Da sind welche ...«, keuchte er. »Weiße Dämonen ... zwei ...!«
Bosco rannte los, lief am Magier und dem Barbaren vorbei in den Hof. Er sprang auf die Terrasse, stürzte ins Steinhaus, tastete sich erneut durch das Halbdunkel des Ganges. Die Tür zu Tarsinas Kerkerkammer stand weit offen, unwirkliches Licht strahlte aus dem Raum. Die Meisterin lag ausgestreckt auf ihrer Pritsche. Zwei weißblonde Frauen in weißen Gewändern saßen bei ihr. Sie sprachen leise miteinander. Bosco stand still im Gang. Wie von unsichtbarer Hand bewegt, fiel auf einmal die Tür zu. Das unwirkliche Licht erlosch.
Roscar von Eyrun schob sich an ihm vorbei. Er trug eine Fackel in der Linken. Vor der Kammer zog er sein Schwert, danach stieß er die Tür auf. In der Kammer war es jetzt dunkel.
Nach dem Magier wagte sich auch Bosco in den Raum. Tarsina lag noch immer ausgestreckt auf der Pritsche, doch niemand saß mehr bei ihr. Bosco trat neben die Meisterin. Der Fackelschein fiel zuerst auf zerrissene Ketten unter der Pritsche, dann auf Tarsina.
Sie war tot. Ihre Gesichtszüge wirkten vollkommen entspannt. Sie lächelte.
Hinter Roscar von Eyrun verließ Bosco die Kerkerkammer zum letzten Mal. Sie schritten über den Gang, traten aus dem Haus. Der Magier fluchte. Bosco war seltsam leicht zumute. Auf dem Hof standen sie: Catavar, Maragostes, Nadolpher, alle. Sie starrten zum Dach hinauf. Nadolphers Augäpfel rollten hinter seinen dicken Augengläsern. Die meisten Männer wirkten erschrocken.
Bosco hörte Schwingenschlag auf dem Dach. Rückwärts schritt er auf den Hof, bis er den First sehen konnte. Über ihm stiegen zwei große weiße Vögel in den Himmel. Ohne Eile bewegten sie die weiten Schwingen.
»Was gibt es zu glotzen?«, schnarrte Nadolpher. »Vögel, weiter nichts!«
Kapitel 11
Mit jedem Schritt, den sie der Wendeltreppe entgegenlief, wurde sie zorniger. Der Magier hatte sie rufen lassen - sie, die Königin! Wie lange war es her, dass sie mehr als drei Sätze mit Gulwyon gesprochen hatte? Einen Mond? Zwei Monde? Seit er den lächerlichen Streit um den Zwinger für die Großkatze verloren hatte, mied er sie. Er war beleidigt. Ein beleidigter Magier! Lächerlich! Es war klar, worüber er mit ihr reden wollte - über ihre Liebe zu dem Mann aus Eyrun.
Entlang der Zimmerflucht huschte sie an Spiegeln und Wandfackeln vorbei. »Niemand ruft die Königin zu sich, als wäre sie eine Kammerdienerin!« Sie übte die Worte, die sie Gulwyon ins Gesicht zu schmettern gedachte. »Ich bin die Königin, und du bist der Hofmagier. Du hast mir nichts zu befehlen!«
Vor dem letzten Spiegel blieb sie stehen und betrachtete ihr
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