Die Tochter Der Goldzeit
Bild. Ihre Züge waren weicher geworden in letzter Zeit, ihre Augen strahlender. Auch bewegte sie sich geschmeidiger, seit sie der Liebe begegnet war. Sie öffnete den roten Samtmantel, den Jacub ihr vom Markt mitgebracht hatte, stemmte die Fäuste in die Hüften und betrachtete sich. Schön war sie. Schön ihr Blondhaar, schön ihre grünen Augen und der Schwung ihrer vollen Lippen, schön die runden Linien ihrer Körperformen. Machte das die Liebe? Ja, auch die Liebe machte das.
»Ich will den Mann aus Eyrun, und du wirst dafür sorgen, dass er an meiner Seite der König von Albridan wird!« Sie lauschte dem bebenden Klang ihrer zornigen Stimme. Ein schwindelerregender Gedanke! Sie erschrak vor der Kühnheit, mit der sie ihn aussprach. Sie tat es noch einmal. »Ich bin die Königin, ich tue, was ich will! Soll Olfarkan doch in das Feuer des Finsterfürsten fahren! Ich will den Rotschopf! Ich will Jacub von Eyrun!«
Sie atmete tief durch, sah der Frau im Spiegel noch einmal in die Smaragdaugen und wandte sich schließlich ab. Sie stampfte fest auf, während sie die ersten Stufen der Wendeltreppe nahm. Murmelnd wiederholte sie die Sätze, die sie sich zurechtgelegt hatte, und verstummte erst, als Gulwyons Leibgardisten oben an der Treppe Haltung annahmen. Einer öffnete ihr die Tür zum Dach. Torya huschte hinaus in die Nacht. Die Luft war überraschend mild, Wasser spritzte unter ihren Sohlen. Die Schneeschmelze hatte eingesetzt.
Knurrend sprang ihr der schwarze Canide entgegen. Sie gab ihm einen Tritt. »Troll dich!« Winselnd zog das Tier sich in die Dunkelheit zurück. Die Eingangstür zum Dachkastell des Magiers stand weit offen, nirgendwo ein Feuer, nirgendwo Rauch; es roch auch nicht nach berauschenden Kräutern und Pilzen. Kein Ritual also? Die Königin wunderte sich: Normalerweise pflegte Gulwyon ihr bei derartig kurzfristig anberaumten Zusammenkünften Botschaften aus der Finsterwelt zu übermitteln, die er gerade erst von seinen magischen Reisen mitgebracht hatte; Botschaften, die keinen Widerspruch duldeten.
Sie schob den Vorhang vor der offenen Tür beiseite und trat ein. »Ich bin es, Meister Gulwyon!«
Er saß in seinem Sessel neben dem Lesetisch, auf dem die einzige Kerzenflamme im Raum brannte. Statt nach Kräutersud und Rauschpilzen roch es nach Kamillentee.
»Es ist spät.« Sie räusperte sich. »Ich bin es nicht gewohnt, zu nächtlicher Stunde noch Gespräche mit meinen Beratern zu führen.«
»Mit deinen Beratern?« Er stieß ein verächtliches Lachen aus. »Ich bin Gulwyon, der Vertraute deiner Mutter Bryta! Ich bin dein Erzieher und der Baumeister deiner Herrschaft!«
Zwei Schritte vor seinem Lesesessel blieb sie stehen und suchte nach Worten. Er hielt einen Porzellanbecher zwischen seinen großen knochigen Händen. Tee dampfte aus dem Becher. Er sah ihr ins Gesicht, und seine rötlichen Augen schienen zu glühen.
Torya senkte den Blick. »Es ist lange her, dass wir geredet haben«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Zu lang«, entgegnete Gulwyon.
»Ich weiß schon, warum du mit mir sprechen willst, aber muss es denn zu derart später Stunde sein?«
»Erstens bin ich ein Mann der Nacht, zweitens dulden manche Dinge keinen Aufschub.« Der Magier sprach mit ruhiger Stimme. »Keine Sorge, er wartet auf dich. Du kommst noch früh genug in seine Arme.«
Toryas Gestalt straffte sich. »Ich will es kurz machen.« Die Wut stieg erneut in ihr hoch. Sie wandte sich ab und begann vor dem Sessel des Magiers hin und her zu laufen. »Ich liebe diesen Mann. Ich will, dass er für immer hier am Hof von Albodon bleibt. Ich will, dass Jacub an meiner Seite König wird. Ich will, dass er der Vater meiner Kinder wird. Verstehst du das?«
Mit hochgezogenen Brauen verfolgte Gulwyon ihre unruhig vor seinem Sessel wandelnde Gestalt. Ein seltener Ausdruck stand in seinen Zügen: Man hätte meinen können, er sei vergnügt.
»Du ... du warst mir immer ein guter Berater.« Torya geriet ins Stammeln. »Was hätte ich nur ohne dich getan? Doch nun muss ich auf mein Herz hören. Und mein Herz .« Sie blieb vor seinem Sessel stehen. »Mein Herz hängt an ihm. Was soll ich mit Olfarkan? Ich empfinde nichts für ihn. Für Jacub von Eyrun aber würde ich sterben.«
Gulwyon musterte sie über den Rand seiner Teetasse hinweg. Jetzt schien etwas wie Spott in seinen lauernden Augen aufzublitzen. »Bist du da ganz sicher?«
»Ganz sicher.« Torya legte die Hand auf ihre linke Brust. »Ich liebe ihn. Mir ist, als
Weitere Kostenlose Bücher