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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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erhob sich plötzlich. Helles Zwitschern und Tschilpen mischte sich unter das böse Krächzen der Graukolks und das schrille Kreischen der Möwen. Das Schnabelgehämmer ließ nach, Vogelklauen lösten sich aus dem Kleiderstoff. Irgendwo über dem Schiff schrien Greife. Das Schnabelgehämmer auf dem Schild und gegen Jacubs Stiefel und Beine hörte schlagartig auf.
    Der Eyruner hob den Schild ein wenig nach oben, und Katanja wagte es, unter ihrem Mantel heraus zu äugen - Hunderte von Sperlingen schwirrten durch das Ruderhaus. Zu Dutzenden hüllten sie Graukolks oder Möwen ein und pickten wild auf sie ein. Durch den Fensterrahmen vor dem Steuerruder steckte ein riesiger schwarzer Greif seinen Schädel, fauchte und schlug seinen scharfen Krummschnabel in eine Möwe.
    Möwen und Graukolks flüchteten, ein dichter Schwarm von Sperlingen und einige Greife verfolgten sie. Schwer atmend sahen Jacub und Katanja einander an. Beide bluteten aus Schrammen an Handrücken und auf den Wangen. Sie halfen einander hoch, spähten aus dem glaslosen Fenster. Am Bug saß Yiou und leckte sich ihre Wunden. Ein Berg von zuckendem Gefieder umgab sie.
    Die See rund um die Casteyrunia brodelte. Einer der Segler, die ihnen den Weg abschneiden wollten, schaukelte gekentert in haushohen Wogen. Wale hoben eben den zweiten an und warfen ihn auf die Seite. Männer trieben zwischen den Schiffen. Schuppige Gestalten warfen sich auf sie und zerrten sie unter Wasser.
    »Was ist das?« Jacub war totenbleich. Seine blutleeren Lippen zitterten. »Bei Dashirin - was geschieht hier?«
    »Das sind die Anderen«, flüsterte Katanja. »Hab keine Angst ...«
    »Ich hab keine Angst«, flüsterte er.
    Auf einmal sahen sie nasse, silbrige Fäuste den Bugspriet umklammern. Ein silberschuppiger Mann zog sich aus dem tobenden Meer, kletterte auf den Bug und schwang sich über die Reling. Fauchend und mit gesträubtem Rücken- und Schwanzfell sprang Yiou an der offenen Ruderhaustür vorbei zum Heck. Der Silberschuppige mit dem Scheitelflossenkamm hielt sich an der Bugreling fest und spähte zum kaum noch sieben Steinwürfe entfernten Strand.
    »Bei Dashirin ...« Jacub taumelte über tote Vögel hinweg zur Rückwand. Er schluckte und riss Augen und Mund auf. »Was ist das, bei allen guten Geistern von Eyrun?« Er bückte sich nach seinem Schwert. Es zitterte ihm in den Händen.
    »Die Anderen sind auf meiner Seite.« Katanja hielt ihn fest, sah ihm ins Gesicht. »Hab keine Angst, sie helfen uns. Pack das Nötigste ein - wir müssen über Land fliehen!« Sie taumelten von einer Wand des Ruderhauses zur anderen.
    Jacub starrte an Katanja vorbei durch das zerbrochene Fenster zu dem ungeheuerlichen Wesen am Bug, wie gefesselt war sein Blick. Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände, sah ihm fest in die Augen und rief: »Hast du mich verstanden? Du musst keine Angst haben! Sie sind auf unserer Seite!« Er nickte.
    Sie ließ ihn los, stürzte aus dem Ruderhaus und ein paar Schritte weiter zur Luke, die auf die Treppe ins Unterdeck führte. Draußen auf dem Meer trieben drei oder vier gekenterte Schiffe. Ein mächtiger Wal stieg hoch und warf sich gegen einen der Viermaster aus Jusarika. Katanja hörte Holz splittern, sah noch das schwarze Rohr des Schiffes kippen. Dann sprang sie die Treppe hinunter, riss ihre Truhe auf, stopfte ihren Lederrucksack voll mit dem Nötigsten und lief zurück ins Ruderhaus. Auch Jacub hatte ein Bündel gepackt und geschultert. Aschfahl war er. Schild und Schwert hingen auf seinem Rücken. Voller Schrecken starrte er zum Bug, wo noch immer der Silberschuppige stand und die Angriffe der Wasserwesen auf die Menschen beobachtete.
    Ein Ruck ging durch die Casteyrunia, als sie auf Grund lief. Der Silberschuppige hechtete ins Meer und tauchte ab. Jacub ließ ein kleines Ruderboot zu Wasser. Mit einem Sprung setzte Yiou hinein. Jacub und Katanja kletterten von Bord des Zweimasters. Wehmütig dachte die Frau aus Altbergen an ihre Truhe im Unterdeck. Sie ruderten an Land. Als sie aus dem Boot sprangen und hinter der Großkatze her den Dünen entgegenliefen, sah Katanja eine kleine, krumme Gestalt auf dem Dünenkamm stehen und winken. Sakrydor.

Kapitel 4
    Die Nacht gehörte dem Geschrei der Ertrinkenden, dem Stöhnen der Verwundeten und dem Geflüster der Betenden. In jeder Plankenfuge nistete die Angst, auf jeder Rahe, jeder Leitersprosse.
    Seit zwei Stunden stand Bosco am Bug der Dalusia, starrte in die Dunkelheit und versuchte zu verstehen, was er

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