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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Mantel, den seine Mutter einst genäht, und blies die Mundharmonika, die seine Mutter einst gebaut hatte. Wie ein schlechter Scherz des Schicksals wollte seine Lage ihm erscheinen. Inzwischen neigte sich der Tag, und die langstielige Axt lehnte immer noch unbenutzt am Holzklotz, auf dem sie ihn und seinen Schädel ein für alle Mal voneinander trennen sollte.
    Es hatte keinen Mordanschlag auf Nadolpher gegeben. Und sollten die Mörder des Zwerges noch kommen, würden sie weder ihn noch die verbotenen Waffen finden, die sie ihm rauben wollten. An der Spitze seiner Offiziere und Primoffiziere hatte Nadolpher das Lager verlassen. Der Eiserne war mit dem Heer der Südland-Barbaren über den Hügelkamm gezogen. Bosco vermutete, dass sie dort gegen Toryas Heer und Maragostes' Aufständische kämpften. Der Waffenlärm schien ihn zu bestätigen.
    Nadolpher hatte die knapp fünfundzwanzig noch lebenden Jusarikaner nach Osten geführt. Auch der Rotmantel, der ihn hinrichten sollte, war unter ihnen gewesen. Bosco zweifelte nicht daran, dass der gerissene Zwerg die Schlacht ausnutzte, um mit seinen Männern und Frauen unbemerkt in die Lichterburg einzudringen. Daran, dass Katanja von Altbergen das Erbe der Goldzeit noch vor Nadolpher finden würde, glaubte Bosco in dieser Stunde so wenig wie an seine Zukunft. Beides schien ihm verloren. Er wartete auf die Rückkehr des Rotmantels. Er wartete auf den Tod.
    Gegen Abend erschienen die Umrisse einer Frau zwischen den Zelten. Ihr Kapuzenmantel war so schwarz wie die Zeltplanen. Sie trug einen Korb mit Fleisch und Früchten und einen Krug Wein zu Boscos Bewachern. Die unterbrachen ihr Kartenspiel, bedankten sich überschwänglich, ließen sich Wein einschenken und aßen und tranken.
    Die Frau trat an den Vogelkäfig und betrachtete Bosco. Der Abendwind riss ihr eine silbergraue Haarsträhne aus der Kapuze. Lange sahen sie einander an und schwiegen. Die Bewacher nahmen ihr Kartenspiel nicht wieder auf - sie schliefen ein. Der Wein war leer.
    »Er hat mich geschlagen«, sagte die Frau. »Ich habe dich nicht verraten. Doch von dem Tag an, als er uns zusammen bei den Wagen gesehen hatte, belauerte er dich. Und dann kam er von selbst drauf.«
    Sie bückte sich nach den schlafenden Wächtern, nahm einem den Schlüssel für das Käfigschloss ab und öffnete die Gittertür.
    Bosco steckte seine Mundharmonika ein und stieg aus dem Verschlag. »Ich habe dich dem Tod ausgeliefert, und du rettest mich?«
    Sariza - das »Mädchen« - schlang die Arme um ihn und küsste ihn auf den Mund. »Niemals habe ich aufgehört, dich zu lieben«, flüsterte sie.
    Die Erschütterung machte Bosco sprachlos, vergeblich kämpfte er mit den Tränen.
    Die silberhaarige Frau führte zwei gesattelte Alkerkühe aus einem Unterstand. Sie reichte ihm ein Kurzschwert und einen Dolch. Beide Waffen befestigte Bosco am Gurt unter seinem Federmantel. Auch die schwere Axt nahm er mit, mit der man ihn hatte enthaupten wollen. Sie stiegen in die Sättel und verließen das Heerlager. Bosco fragte nicht, warum Sariza mit ihm ritt.
    Als sie den Hügelkamm erreichten, lag das Schlachtfeld vor ihnen. Krieger aus Dalusia und Albridan stapften durch den blutgetränkten Schnee, suchten nach Verwundeten aus ihren Reihen, sammelten Waffen auf, plünderten die gefallenen Fischer und Wildsaujäger aus Apenya aus. Ein dichter Waldstreifen, an die fünftausend Schritte lang, trennte das Schlachtfeld vom Schneewall vor der Lichterburg. Viele Krieger hatten sich darin verfangen. An einigen Stellen des in blauen Schein getauchten Unterholzes wurde noch gekämpft. Dahinter, vor dem Gebirge im Osten, strahlte die Lichterburg selbst in gleißend blauem Licht.
    Bosco versuchte zu verstehen, was er da sah; es gelang ihm nicht. »Was ist hier geschehen?«, fragte er heiser.
    »Zwei weiße Gestalten wanderten dort unten von Süden nach Norden«, erzählte Sariza. »Schöne, edle Krieger. Sie waren unbewaffnet. Hinter ihnen aber schmolz der Schnee und wucherte Wildnis.«
    Bosco spähte in den Himmel. Zwischen den Wolken kreisten zwei große weiße Vögel. Er schloss die Augen. Sehr leicht wurde ihm auf einmal zumute, und er spürte, dass noch nichts verloren war. Er öffnete die Augen wieder und trieb seinen Alker an. »Reiten wir ins Lager der Albriden.«
    Auf dem Weg erzählte sie ihm, dass Maragostes mit siebzig Aufständischen die Jusarikaner angegriffen hatte, als die sich gerade aus wucherndem Gestrüpp befreiten, um den Schneewall und die

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