Die Tochter Der Goldzeit
während sie starb. Der schwarze Eisenriese stapfte schon dem blauen Geflimmer entgegen, als sie es witterte. Sie sah nur noch seinen Rücken, sah die schwere Axt auf seiner Schulter, sah den erstaunlichen Waldstreifen vor dem blauen Geflimmer und dachte ein letztes Mal an den Feuerkopf. Alles war gut gewesen mit ihm, so gut, wie es nie wieder werden würde.
Dann brach Nacht an. In der Dunkelheit strichen Katzen um sie herum. Eine kam zu ihr, leckte ihr das Fell und rieb sich an ihr. Yiou erkannte sie wieder: die Graue, die sie geboren, die sie gesäugt hatte.
Kapitel 27
Mit weiten Schritten sprang Jacub die Innenseite des Schneewalls hinunter und tauchte tiefer in das blaue Licht ein. Er rannte zwischen die blauen Mauern, stolperte über einen aus dem Schnee ragenden Stein, wollte sich an einer Turmwand festhalten, griff ins Leere, schlug lang hin.
Und dann begriff er - es gab keinen Turm, es gab kein Gemäuer, es gab keine Häuser und kein Schloss. Es gab keine Lichterburg. Es gab nur blaues Licht hier hinter dem Wall.
Er stemmte sich hoch, lachte, fluchte. Mit dem Mantelkragen versuchte er, seine Augen vor dem greller werdenden Flimmern zu schützen, stolperte über schneebedeckte Feldsteine hinweg zur Mitte des Blaulichtgebäudes. Eine flache Kuppel wölbte sich dort aus blau flirrendem Schnee und Geröll, nicht höher als ein großer Mann. Sie durchmaß kaum sieben Schritte und war aus glattem, in blaues Licht getauchtem Stein. Jacub ertastete die Fugen einer Luke, fand einen Griffbügel, zog daran.
Die Luke öffnete sich.
Jacub blickte zurück: Dreihundert Schritte entfernt auf der weißen Wallkrone tauchte der schwarze Riese auf. Jacub bückte sich in die Luke, zog sie zu. Er fand einen Riegel, schob ihn in den Wandbügel. Halbdunkel herrschte hier. Er erspürte die Holme einer Eisenstiege und kletterte durch einen Schacht in die Tiefe.
Gedämpftes Licht umfing ihn dort. In einer kleinen Halle erreichte er nach etwa vierzig Metern die Schachtsohle. Vier Gänge führten von hier in leichtem Gefälle in ein Stollensystem hinein. Aus einem hörte er eine Stimme. Er ging ihr entgegen.
»Willkommen, willkommen!«, rief die Stimme. »Willkommen, willkommen! Endlich seid ihr bei uns!« Sie klang ein wenig, als würde jemand dünnes, rostiges Blech zerreißen.
Hinter sich hörte Jacub dumpfe Schläge. Der Eiserne versuchte, die Kuppelluke aufzubrechen. Der Mann aus Eyrun lief schneller, er sah sein verschwommenes Spiegelbild neben sich huschen. Wände aus trübem Glas warfen das matte Licht zurück, das den Stollen beleuchtete. Es drang aus Rillen an der Decke. Nie zuvor hatte Jacub derartige Lichtquellen gesehen.
»Alphatar, der Erzdiener Dashirins, heißt euch willkommen! Gut, dass ihr endlich da seid, gut, gut, gut .«
Noch sah Jacub niemanden, noch hörte er nur die unheimliche Stimme.
»Kommt zu uns, damit wir euch in den Saal der Unsterblichkeit führen! Dort wartet das Erbe der Goldzeit auf die treuen Diener Dashirins. Und sind die Ersten nicht die Treusten ...?« Die tonlose Stimme lachte blechern.
Hinter Jacub krachte und polterte es, wie Donnerschläge hallte es durch den Stollen. Der schwarze Eisenriese draußen vor der Kuppel schien die Luke mit den größten Steinbrocken zu bearbeiten, die er unter dem Schnee finden konnte. Oder warf er sich dagegen?
»Wir haben doch die Tür geöffnet«, hörte der Mann aus Eyrun die unheimliche Stimme im Halbdunkeln vor sich rufen. »Wir haben doch geöffnet, damit unsere Diener zu uns hereinkommen können!« Die Schritte schlurften heran.
Jacub suchte eine Nische, eine Abzweigung, eine Luke, hinter der er sich verstecken konnte, doch es gab nur die gläserne Stollenwand. Er drückte sich gegen sie. Glatt und kalt fühlte sie sich an.
Eine dunkle Gestalt hinkte ihm aus dem Stollen entgegen. Zu beiden Seiten begleitete sie ihr verschwommenes Spiegelbild in der Glaswand. Sie war einen halben Kopf kleiner als Jacub und trug eine schwarze Rüstung. Blaues Licht strahlte aus den Sehschlitzen des Visiers. »Willkommen, mein Sohn, willkommen!«, rief die Gestalt, als sie Jacub entdeckte. »Bist du also der erste all unserer treuen Diener, die unserem Ruf folgten? Wie lange haben wir gewartet! Willkommen!«
Jacub war zu keiner Antwort fähig - die Gestalt in der schwarzen Rüstung war um vieles kleiner und schmaler als der Eiserne, glich ihm aber ansonsten wie ein Zwilling dem anderen. Nur trug sie keinen Mantel, und die Rüstung glänzte wie neu. Jacub senkte
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