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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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    Ein Pfiff, wie von einem Schneefalken ausgestoßen, tönte aus dem Nebel. Der Katafrakt zwanzig Schritte vor dem Schlitten hob die Rechte. Tondobar zog die Zügel an. Das Gespann aus zwei Mammutwiddern und zwei Mammutziegenböcken stand still. Der Katafrakt ritt weiter auf die Schiffsansammlung zu, langsamer als zuvor.
    Es war Borgs ältester Sohn Friesen, der dort auf dem mächtigen Widder vorausritt. Er kommandierte die Eskorte des Schlittens. Friesen hatte das Amt des Katafrakten von seinem Vater geerbt, der jetzt an den Aufzugskörben der Bergstadt arbeitete. Ein schwarzer Pelzmantel bedeckte den gepanzerten Reiter von der Helmspitze bis hinab zu den Stiefelschäften. Wurflanzen, eine Armbrust, Pfeile und ein Langschwert steckten in seinen Sattelholstern, und in den Satteltaschen verborgen seine verbotene Waffe; als Reiter der Katafraktgarde hatte er sie mit sich zu führen, immer. Der Mammutwidder unter seinem Sattel war massig und hoch, sein Fell quastig und dunkelbraun.
    Links und rechts aus dem Nebel hörte Grittana den Schnee unter den Stiefelsohlen der Jäger und Waldläufer knirschen. Von allen Seiten näherten sie sich jetzt den Schiffen, vierundzwanzig Männer und Frauen insgesamt. Ihr Gesang verebbte allmählich. Die Meisterin sah die Umrisse einiger Gestalten rechts und links des Katafrakts aus dem Nebel auftauchen. Sie kletterten auf die Schiffe, während der schwer bewaffnete Friesen im Sattel sitzen blieb. Er spannte einen Pfeil in seine Armbrust.
    Der Gesang verstummte endgültig. Auch Tondobar, vorn auf dem Schlittenbock, hörte auf zu singen. Doch ein paar Atemzüge später schon begann er eine einfache Melodie zu summen. Die sollte wohl munter klingen.
    Linderau auf dem Sitz hinter Grittana schnarchte leise. Wie Tondobar steckte er in einem grauen Pelzmantel. Zahllose Decken und Felle verhüllten ihn bis unter die Nase. Der Ratsälteste schlief schon, seit sie das Seeufer hinter sich gelassen hatten. Und das war viele Stunden her.
    In Grittanas Kindheit und Jugend hatten die Späher und Waldläufer noch in jedem Winter Eis auf dem Großen See gemeldet. Während der letzten sechzig Winter kam es immer häufiger vor, dass der See eisfrei blieb. In jenem Winter jedoch, als die Anderen die Ratsspitze von Altbergen aus den Bergen zum Großen See hinunter riefen, war er vollständig zugefroren.
    Sie warteten. Lange drang kaum ein Laut aus den Schiffen hinter dem Nebel zu ihnen. Obwohl an den Ufern des Großen Sees hier und da Fischer und sogar Bauernsippen siedelten und Süd- und Nordufer kaum fünfzig Kilometer entfernt waren, wagte sich nur selten ein Fischerboot bis zu der Wrackflotte hinaus. Der See war unberechenbar, die Winde tückisch und die Ansammlung der Schiffswracks galt als verwunschener und von Dämonen bewohnter Ort. Unwahrscheinlich also, dass Überraschungen sie erwarteten. Dennoch hatte Tondobar die Jäger und Waldläufer beauftragt, Schiff für Schiff gründlich zu durchsuchen.
    In Altbergen pflegte man in jeder Situation vorsichtig und besonnen vorzugehen. Anders hätte die Sozietät nicht so viele Jahrhunderte überlebt.
    Irgendwann hörte Linderau auf zu schnarchen. »Was ist los?« Er schreckte aus seinen Decken und Fellen hoch. Im Vogelbauer zwischen seinen Knien krächzte sein Elsternpaar. »Sind wir da?«
    Grittana drehte sich nach ihm um und nickte. In seinem Blick flackerte es unruhig. Raureif hing in seinen Brauen und Wimpern und in der haarigen Öffnung seiner Hakennase. Über dem Kragen seines Pelzmantels, unter seiner bleichen, trockenen Haut, sah Grittana seinen Kehlkopf auf- und abtanzen. Es ging ihm wohl wie dem scheinbar entspannt summenden Tondobar: Beide kämpften mit der Furcht; jeder auf seine Weise.
    Bald hörten sie Stimmen aus den Wracks hinter dem Nebel. Auf einem Ausguck glaubte Grittana eine Bewegung zu erkennen, irgendjemand winkte dort. Der Pfiff des Schneefalken gellte dreimal kurz hintereinander aus dem Nebel. Das Zeichen. Der Katafrakt drehte sich im Sattel um und machte eine Handbewegung. Tondobar trieb die Tiere an. Er summte lauter jetzt. Der Schlitten näherte sich den im Eis festgefrorenen Schiffen. Er glitt an Friesen und seinem Widder vorbei und hielt zwischen einem Lastkahn und einem Zweimaster. Sie stiegen aus. Tondobar ging nach hinten zum letzten Schlitten, enthüllte einen der beiden Käfige und ließ einen Kolk mit einer vorbereiteten Botschaft fliegen. Zu Hause in Altbergen sollten sie wissen, dass man am Ziel angekommen war.
    An der

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