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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Reling des Zweimasters, über der obersten Sprosse einer Leiter, warteten ein Waldläufer und eine Jägerin. Tondobar stieg zuerst hoch, dann Grittana, nach ihr der Ratsälteste. Der Waldläufer und die Jägerin streckten die Hände aus und halfen ihnen an Bord.
    Sie folgten dem Paar auf die andere Seite des Schiffes. Dort führte eine stabile Bogenbrücke aus Holz hinüber auf das Wrack eines großen Ruderbootes. Kahle Büsche wuchsen dort aus dem Schnee. Trotz des Eises vieler Winter war der Rumpf des Bootes an keiner Stelle eingedrückt. An keinem der Holzwracks hier sah man Spuren des Eisdrucks oder gar von Fäulnis. Und seit die letzten Menschen die Wrackinsel verlassen hatten, war nicht ein Holzschiff mehr gesunken. Nur wenige konnten sich das erklären. Grittana gehörte zu den wenigen.
    Sie stiegen die Brücke hinauf. Auf ihrem höchsten Punkt blieb die Jägerin stehen und deutete über ein gutes Dutzend größerer und kleinerer Schiffe hinweg zu einem Wrack in der Mitte der ausgestorbenen Schiffssiedlung. Es überragte alle anderen Wracks. Der Nebel in seiner Umgebung war nicht annähernd so dicht wie hier, am Rande der Wrackflotte. Herrschte dort überhaupt Nebel?
    »Da steht jemand auf dem Oberdeck.« Aus schmalen Augen spähte Tondobar hinüber. »Jemand mit rotem Haar ...« Seine Stimme klang plötzlich heiserer. »... Es ist eine Frau.«
    Grittana zog die Kapuze ihres weißen Pelzes unter dem Kinn zusammen. Selbst sie schauderte. »Gehen wir«, sagte sie heiser. Weil alle anderen zögerten, ging sie voran.
    Bis in den vergangenen Sommer hinein hatte die Meisterin versucht, Kontakt zu den Anderen aufzunehmen; lange Zeit vergeblich. Die kleinen Geschenke, die Grittana in den Mauernischen zurückgelassen hatte - Duftessenzen, lichtbrechenden Glaskitsch und Kara-mellwürfel -, waren jedes Mal verschwunden, wenn sie Tage oder auch nur Stunden später zurückkehrte. Doch sehen ließ sich keines der unbegreiflichen Wesen, fast ein Jahr lang nicht. Ganze Nächte hatte Grittana während der Sommermonde im Wald an der Ruine zugebracht. Obwohl sie eine Meisterin war, obwohl sie über eine der Gaben verfügte und obwohl man sie kannte in der Anderen Welt, hatten sie sich dort bis zum Beginn der Herbststürme Zeit gelassen mit einer Antwort.
    Menschen gehörten noch immer nicht zu den Kreaturen, deren Nähe die Anderen schätzten, um es vorsichtig auszudrücken.
    Eines Morgens dann, nach einer stürmischen Nacht, wartete eine sehr junge rothaarige Frau auf Grittana, als sie auf ihrem weißen Bock durch das Farnfeld am alten Gemäuer ritt. Die Meisterin nahm an, dass es dieselbe Frau war, der auch Katanja an jenem Frühlingstag begegnet war.
    Die merkwürdige Frau stellte sich nicht vor, ließ die Meisterin auch nicht zu Wort kommen. Sie wollte keine Fragen hören und stellte keine Fragen, sie verlangte keine Erklärung und erklärte nichts. Mit knappen Worten und in eigenwilligem, geradezu singendem Tonfall beschied sie ihr, dass sie im zweiten Wintermond des neuen Jahres zu Beginn des Vollmondes zur Wracksiedlung auf dem Großen See kommen könne, wenn sie die Hilfe der Anderen bräuchte. Danach drehte sie sich um und verschwand zwischen den Birken und Büschen im Halbrund des alten Gemäuers.
    Das war alles gewesen.
    Der zweite Mond des neuen Jahres ging nun zu Ende, seine erste Vollmondnacht stand bevor.
    Über Dutzende Stege, Brücken, Treppen und Rampen gelangten sie von Schiff zu Schiff endlich zum mittleren Wrack, dem größten und zugleich ältesten. Vermutlich waren alle anderen Schiffe im Lauf der Jahrhunderte erst nach und nach in seiner Umgebung vor Anker gegangen.
    Gefrorenes Moos bedeckte den Rost auf seiner hohen Bordwand. Vom kleineren Nachbarwrack aus führte eine steile Treppe hinüber. Grittana drehte sich um und winkte die beiden Männer hinter sich her. Die warteten bei einer verkrüppelten Birke, die am Heck des kleineren Wracks aus den Staubablagerungen unter dem Schnee wucherte. Die Jägerin und der Waldläufer waren zurückgeblieben. Zaghaft setzten Linderau und Tondobar sich in Bewegung. Grittana sah zur Reling hinauf und fasste das Geländer der Treppe mit beiden Händen. Stufe für Stufe zog sie sich hoch. Oben angekommen, verschnaufte sie und wartete auf Linderau und Tondobar.
    Das dauerte. Beide Männer hatten es nicht eilig, den Anderen zu begegnen. Die Furcht stand dem Ratsältesten ins Gesicht geschrieben, als er endlich aufs Deck trat und um sich blickte. Tondobar summte noch immer

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