Die Tochter Der Goldzeit
Marschkolonne von zwanzig Männern den Fluss auf einer Hängebrücke. Deutlich sahen sie ihre bärtigen Gesichter, die Schwerter auf ihren Rücken und die Netze auf ihren Schultern.
»Wie konnten sie uns finden?«, flüsterte Janner.
»Sie haben uns Späher hinterhergeschickt«, sagte Weronius. »Weiter.« Er versuchte, seinen Schritt zu beschleunigen, hinkte aber nur noch stärker. Wenig später erreichten sie eine Abzweigung. Ein schmaler Felspfad führte dort in Serpentinen den Steilhang hinunter ins Flusstal.
Weronius setzte seinen Rucksack ab. »Hier nehmen wir Abschied«, erklärte er mit tonloser Stimme. Mit dem gesunden Bein schob er einen Stein über den Abhang. Polternd rollte der nach unten und krachte zwanzig Schritte tiefer auf den Serpentinenpfad. »Über diesen Weg werden sie heraufsteigen.« Weronius zog seine Armbrust vom Rücken. »Ein Weilchen kann ich sie aufhalten. Lang genug, um euch einen Vorsprung zu verschaffen.«
Er wollte Janner umarmen. Der wehrte ihn ab und wich zurück. »Niemals werden wir dich im Stich lassen!«
Weronius drehte sich um und schloss die vor Angst starre Katanja in die Arme. »Du hast einen Auftrag, Mädchen. Gehe und erfülle ihn.« Er küsste sie auf die Stirn, sein Atem war heiß. Er schob sie auf den Weg. »Geh allein weiter zur Lichterburg! Schau nicht zurück!«
Er spannte einen Pfeil in seine Armbrust. »Ich kann dich nicht zwingen, sie zu beschützen, Janner«, sagte er, ohne ihn anzusehen. »Wenn du glaubst, sie braucht dich nicht, bleib eben hier. Nur bedenke: Deinem Auftrag würdest du damit untreu werden.«
»Aber Weronius ...!« In einer hilflosen Geste breitete Janner die Arme aus. »Ich kann dich doch nicht allein lassen!«
»Du kannst.« Merkur landete auf Weronius' Schulter. Diesmal vertrieb er ihn nicht. »Ich komme allein zurecht. Katanja nicht.«
»Bleib bei ihm!« Katanja lief los. »Ich komme auch allein zurecht!« Sie rannte los, biss sich auf die Unterlippe, blickte nicht zurück. Der Blaue flatterte aufgeregt krächzend über ihrem wehenden Haar.
Janners Blick flog zwischen Weronius und der davoneilenden Katanja hin und her. Weronius packte ihn, drückte und küsste ihn und schob ihn auf den Pfad. »Geh jetzt. Lebt wohl!«
Janner lief los, überholte Katanja und fasste sie an der Hand. Sie pfiffen nach den anderen Kolks, rannten über den Pfad und sahen nicht mehr zurück. Von fern hörten sie später Männergeschrei und den krachenden Lärm von Steinschlag.
Kapitel 3
Einmal, nach einem Platzregen, beugte Bosco sich über eine Pfütze, um zu trinken. Die Mittagssonne schien auf ihn und das Wasser, und er glaubte, weiße Fäden im Bart seines Spiegelbildes zu erkennen. Das muss im neunten Sommer seiner Gefangenschaft gewesen sein.
Um diese Zeit geschah es auch, dass an einem einzigen Tag zwei Dutzend neuer Gefangener in den Steinbruch geschafft wurden. Bosco und seine Leidensgenossen umringten sie, während die Aufseher sie schoren und ihre Schädel mit ätzendem Harz bestrichen. Neue Sklaven brachten neue Nachrichten aus der Welt jenseits des Steinbruchs.
Die Männer wirkten verstört, sprachen nicht viel. Erst nach Tagen berichtete einer, dass jetzt fremde Eroberer in Dalusia herrschten. Bis zur letzten Schlacht hatten die Männer ihrem alten Fürsten die Treue gehalten. Dafür hatte der neue Fürst sie zu lebenslanger Sklaverei verurteilt.
»Wir können froh sein, dass wir noch leben«, sagte der neue Sklave heiser. »Mit den meisten anderen haben sie kurzen Prozess gemacht. Ich musste mit ansehen, wie der oberste Kriegsmeister des neuen Tyrannen die Leibgardisten meines Fürsten im Kampf erschlug, einen nach dem anderen.« Er senkte den Kopf und wischte sich die Augen aus. »Mit einem einzigen Schwertstreich hat dieser Kriegsmeister danach unserem Fürsten den Schädel bis zu den Schultern gespalten ...« Er flüsterte nur noch. »Ein grauenhafter Ritter, ein Dämon, glaubt mir - niemals hat jemand ihn mit offenem Visier gesehen. Nicht einmal über den halbwüchsigen Sohn unseres Fürsten erbarmte er sich: Er erschlug den Jungen vor den Augen seiner Mutter und seiner kleinen Geschwister ...« Die Stimme des neuen Sklaven brach, er wandte sich ab.
Tags darauf führte man Bosco in die Hütte des Steinbruchverwalters. Dort wartete ein zierlicher Mann in schwarzem Mantel und eng anliegendem, schwarzem Ganzkörperanzug, der sogar seinen Schädel bedeckte. Bosco hielt den Atem an - hatten die Krieger des Eisernen ihn doch noch
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