Die Tochter Der Goldzeit
ist los mit dir?«, rief Janner.
Weronius hüpfte auf und ab, warf sich ans Ufer, kroch ins Gras und hielt sich das rechte Bein. Ein schlangenartiges Tier hatte sich in seiner Wade verbissen. Es wand seinen schwarzen, glitschigen Körper um Weronius' Bein. Er strampelte und schrie.
Janner sprang ans Ufer, versuchte, die Wasserschlange zu packen. Vergeblich.
»Es schnürt mir das Bein ab!«, jammerte Weronius.
Janner stach mit einem Pfeil auf das Schlangentier ein. Das Biest zuckte nur, wenn er es traf, ließ aber nicht locker.
Katanja kletterte an Land, riss ihr Messer aus dem Hüftgurt. Sie packte die Wasserschlange hinter dem Kopf und schnitt ihn ab. Der schwarze Schlangenrumpf glitt erschlafft von Weronius' Wade. Katanja löste die langen Zähne aus dem Hosenleder und warf den blutenden Schädel ins Wasser. Sie schnitt das Leder rund um die Wunde auf - kleine blutende Löcher waren zu erkennen.
»Es brennt wie Feuer«, stöhnte Weronius.
Katanja band die Wade ab, Janner saugte die Wunde aus. Danach trugen sie eine von Grittanas Salben auf und verbanden Weronius' Bein. Der stand auf, humpelte ein Stück flussaufwärts. »Geht schon«, krächzte er.
Katanja und Janner zogen das Boot zum Stauwehr, doch statt einer glatten Wasseroberfläche entdeckten sie dahinter eine Ansammlung großer Tümpel zwischen Geäst und Steinen.
»Es hat keinen Sinn«, flüsterte Weronius. »Auf dem Fluss kommen wir nicht weiter.«
Er spähte nach rechts, wo dreihundert Schritte entfernt ein Hang sanft anstieg. Zwischen Bäumen und Büschen standen dort Mauerreste und Ruinen. Sie schafften die Vorräte und Katanjas Truhe in eine der Ruinen und tarnten den Zugang. Den Kolkkäfig öffneten sie. Drei der vier Vögel flatterten mit Merkur in die Bäume; der vierte, ein dunkelblau schillerndes Jungtier, setzte sich auf Katanjas Schulter.
»Sie kommen!«, rief Janner und deutete flussabwärts. Noch weit entfernt, aber schon deutlich erkennbar näherten sich zwei Ruderboote. »Weg hier!«
Ins hohe Gras gebückt, huschten sie zu dem Baum, wo sie ihre tragbare Ausrüstung zurückgelassen hatten. Die Kolks flogen dicht über ihnen. Sie schnallten sich die Armbrüste auf die Rücken, stopften Proviant und Wasserflaschen in Rucksäcke und hetzten den Hang hinauf.
Vom ersten Bergkamm aus blickten sie ins Flusstal hinunter: Die Schwertmänner hatten ihr Ruderboot gefunden und zogen es ins Gras. Einige deuteten zu den Ruinen und zum Hang.
»Weiter«, keuchte Weronius.
Janner und Katanja sahen einander an. Das Entsetzen verschloss ihnen die Lippen. Alles war so schnell gegangen - gerade aufgebrochen, eben noch auf dem Strom, eben noch gehofft und gesungen, und jetzt war auf einmal das Ende zum Greifen nahe. Konnte das denn wahr sein?
Stundenlang wanderten sie durch Täler und über Bergketten. Die Kolks flatterten neben ihnen her von Baum zu Baum. Manchmal ließ der graue Merkur sich auf der Schulter seines Herrn nieder. Jedes Mal verscheuchte Weronius ihn. Katanja ließ es zu, wenn der blaue Jungvogel auf ihrer Schulter landete. Sein Gefieder und sein Krächzen so dicht an ihrem Gesicht - das dämpfte ihre Angst.
Als die Dämmerung hereinbrach, durchquerten sie einen Talkessel voller Ruinen. In einer suchten sie Deckung und Schutz für die Nacht. Dort wickelten sie sich in ihre Decken und Felle. Alle drei Stunden wechselten sie einander mit der Wache ab.
Am nächsten Morgen hatte Weronius Fieber. Katanja und Janner erneuerten seinen Verband. Ein blauschwarzer Rand umgab die Bisswunden, der Unterschenkel war rot und heiß. Janner wandte sich erschrocken ab. Hilflos und stumm blickte Katanja ihrem Lehrer in die fiebrigen Augen.
»Trag die Salbe auf«, verlangte Weronius. »Und gib mir Weißbaumrindenpulver. Danach gehen wir weiter.«
Katanja tat, was er verlangte. Draußen, im Ruinenwald, sangen die Vögel. Kein Mensch war zu sehen. Sie schöpften Hoffnung und stiegen aus dem Talkessel. Weronius hinkte.
Entlang der Hänge verlief ein Höhenpfad nach Osten. Sie aßen im Gehen. Gegen Mittag sahen sie in einem engen Tal den Fluss, von dessen Ufer sie am Tag zuvor geflohen waren.
Weronius hatte Fieber. Katanja sah, wie der Schmerz sein Gesicht verzerrte. Der blaue Jungkolk ließ sich wieder und wieder auf ihrer Schulter nieder. »Was ist los mit dir, Blauer?«, flüsterte sie. Sie spürte seine Erregung.
Nach drei Stunden etwa blieb Weronius stehen. Wortlos deutete er ins Tal hinab. Zwei Steinwürfe unter ihnen überquerte eine
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