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Die Tochter der Ketzerin

Die Tochter der Ketzerin

Titel: Die Tochter der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Kent
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lebten, beugte sie sich zu mir herüber. »Da kannst du sicher sein«, antwortete sie.
    Im Gegenzug berichtete ich ihr das Wenige, was ich auf dem Marktplatz und den Straßen aufgeschnappt hatte, und wenn ich mir dabei einige dichterische Freiheit nahm, dann nur, um meinen Schilderungen mehr Würze zu verleihen, so als gebe man ein paar Nelken zum Fleisch. Schließlich sollte meine Cousine mich nicht für ein argloses Kleinkind halten. Es war das erste Mal im Leben, dass ich Gelegenheit hatte, Geheimnisse mit einem anderen Mädchen zu teilen. In den vielen Jahren, die seitdem vergangen sind, habe ich gelernt, dass Männer und Frauen ihr wahres Wesen auf unterschiedliche Weise zeigen. Frauen knüpfen Bindungen, indem sie sich unter dem Siegel der Verschwiegenheit Dinge mitteilen und einander so Zusammenhalt und Vertrauen beweisen. Ein Geheimnis zu bewahren, zeugt von Zuverlässigkeit und ist ein Akt des stillen Protests. Für eine Frau ist es selbstverständlich, ihr Wissen mit sich herumzutragen, bis die Zeit reif ist, es zu enthüllen. Es handelt sich um eine Vorgehensweise, die ihrer körperlichen Veranlagung entspricht, denn jede Frau besitzt von Geburt an jene dunkle, unergründliche Höhle, in der ein Kind geborgen heranwachsen kann, bis es bereit ist, auf die Welt zu kommen. Und ebenso, wie jede Geburt unterschiedlich verläuft, gleicht kein Geheimnis dem anderen. Manche gleiten mühelos heraus, einige muss man dem widerstrebenden Körper entreißen.
    Ende Januar hörte es auf zu schneien. Um uns herum schien die Luft vor Kälte zu erstarren, die Schneeverwehungen verwandelten sich in Festungen aus Eis, und der Bach fror bis zum Grund zu, sodass wir die Blöcke im Kamin auftauen mussten, um Wasser zum Trinken und Kochen zu gewinnen. Da wir die Tiere nur für kurze Zeit ins Freie führen konnten, damit sie nicht zu lahmen begannen, wurden sie unruhig und zerrten an ihren Stricken. Eines Morgens gingen Margaret und ich früh in die Scheune, um das Vieh zu füttern, wobei wir darauf achten mussten, den scharrenden Hufen der Kuh und der Ochsen nicht zu nah zu kommen. Bucephalus wiegte sich in seinem Stall hin und her, schüttelte den Kopf und rollte mit den Augen. Ich hatte ein Stück Apfel aus dem Keller mitgebracht, um ihn zu beschwichtigen. Doch als ich näher kam, sah ich einen Mann im Stroh kauern. Ich verharrte schweigend, während der Mann, in einen Haufen aus Mänteln und Decken vergraben, mich ängstlich ansah. Er war noch jung, und sein Gesicht war von der Kälte gerötet. Doch die Haut unter seinen Augen wirkte dunkel, und im Unterlid hatte sich Flüssigkeit gesammelt wie bei einem Fiebernden, was mich an das von Krankheit gezeichnete Gesicht meines Bruders erinnerte. Die Haut des Mannes war kränklich blass. Flehend oder warnend hob er die Hand. Inzwischen war Margaret hinter mich getreten, und ich hörte, wie sie nach Luft schnappte. Der Mann versuchte zu sprechen, brachte aber zunächst keinen Ton heraus, so als klebe ihm die Zunge am Gaumen fest. »Ich bitte Euch, habt Gnade und gebt mir etwas zu essen und zu trinken, sonst sterbe ich«, stieß er schließlich hervor. Er erschauderte unter dem Stroh und stöhnte auf. Als wir zurückwichen, streckte er die Arme nach uns aus wie ein Ertrinkender.
    »Bitte, ich will Euch nichts tun. Wenn ich gegessen und mich ein wenig ausgeruht habe, ziehe ich weiter.« Margaret trat näher an den Mann heran. »Sie sind Quäker.« Der Mann senkte keuchend den Kopf, erwiderte aber nichts.
    »Wenn mein Vater Sie hier beim Hausfriedensbruch erwischt, wird er Sie dem Wachtmeister übergeben.«
    Der Mann wollte sich aufrichten und sich an einem Bretterstapel hochziehen, sackte aber wieder zusammen. Ich zupfte meine Cousine am Mantel. »Sollten wir ihm nicht etwas zu essen holen?«, flüsterte ich. »Es scheint ihm sehr schlecht zu gehen.« Margaret zog mich ein Stück weg, damit wir außer Hörweite waren.
    »Vater sagt, die Quäker seien Ketzer, und man müsse einen Bogen um sie machen. Außerdem könnte der Mann die Pocken haben.«
    »Oh«, antwortete ich, weil ich nicht wusste, was ein Ketzer war. Ich blickte zu dem Mann hinüber und hatte Mitleid mit ihm. Plötzlich fasste Margaret mich an den Handgelenken und beugte sich zu meinem Ohr vor. »Wir helfen ihm. Aber es muss unser Geheimnis bleiben. Wir dürfen es Mutter und Vater nicht erzählen, denn sonst gibt es sicher eine saftige Strafe.« Ich lächelte sie an und nickte. Die Aussicht, dieses gefährliche Geheimnis

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