Die Tochter der Ketzerin
Hause und tief in religiöse Betrachtung versunken, sodass nicht einmal ein lästiger Frosch im Hals ihn dabei stören konnte. Der Fuchs hatte die Fährte verloren. Der Reverend setzte seine Predigt zwar wie geplant fort, doch ich verstand kein Wort mehr, denn alles verschwamm um mich, und ich sah nur noch meine Hände, die sich auf meinem Schoß ineinanderflochten. Als ich Mutter schließlich nach draußen folgte, ließ ich den Kopf hängen und versteckte das Gesicht unter der Kapuze, um die tadelnden Blicke nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen. Ich war überzeugt, dass dieser 28. Februar sich als schwarzer Tag für mich entpuppen würde, denn sicher würde die »eiserne Bessie« zum Einsatz kommen, sobald wir zu Hause waren. Ich bemerkte, dass Vater und Robert Russell, ins Gespräch vertieft, neben dem Karren standen. Doch als wir uns näherten, verstummten sie schlagartig. Mutter reichte mir Hannah und setzte gerade den Fuß auf die Speiche, um einzusteigen, als sie etwas im Gebaren der Männer innehalten ließ.
»Du machst so ein langes Gesicht, Robert. Sind dir Reverend Barnards strenge Worte auf den Magen geschlagen?«, fragte sie.
Er lächelte ihr zwar zu, zog jedoch sorgenvoll die Brauen zusammen, als er antwortete. »In Salem gehen seit einigen Wochen schreckliche Dinge vor. Die Nichte und die Tochter von Reverend Parris sowie einige andere Mädchen haben drei Frauen, eine Sklavin und zwei weitere Dorfbewohnerinnen, beschuldigt, sie verhext zu haben. Wenn das dem Magistrat zur Anzeige gebracht wird, kommt es zu einem Prozess.«
»Es wird doch ständig über Hexerei getratscht und gemunkelt, Robert, insbesondere im Winter, wenn Untätigkeit, Angst und Aberglaube eine ungesunde Mischung eingehen. Du hast unseren guten Reverend doch gehört. Der Teufel sitzt überall. Aber mit Gottes Willen wird er im Dorf Salem bleiben. Soweit ich gehört habe, sind die Leute dort recht streitlustig, sodass er noch einige Zeit von ihrem Gezänk wird zehren können.« Sie stieg ein und streckte die Arme nach Hannah aus. Vater berührte sie am Knie, damit sie still war, und bedeutete seinem Freund, fortzufahren.
»Auch in Andover gibt es streitlustige Leute, die in den Wintermonaten tatsächlich mehr Zeit haben, böswillige Gerüchte in die Welt zu setzen. Ich habe hier und da so einiges aufgeschnappt. Zum Beispiel im Versammlungshaus und in Chandlers Gastwirtschaft. Euer Schwager singt immer noch jedem, der es hören will, das Lied vor, wie er über den Tisch gezogen worden ist.«
»Und vermutlich wird es bei jedem Vortrag eine Strophe länger«, erwiderte Mutter leichthin. Doch da die Männer nicht lachten, straffte sie die Schultern und forderte sie zum Weitersprechen auf.
»Man tuschelt, du hättest Zaubersprüche eingesetzt und Menschen verhext. Ich selbst habe Samuel Preston sagen hören, ihm sei im letzten September eine Kuh krank geworden und gestorben, kurz nachdem du sie zu ihm zurückgebracht hattest. Weiterhin behauptet er, du hättest ihn verflucht, nachdem er sich geweigert habe, dir einen eingebildeten Schaden zu ersetzen. Du hättest den Tod der Kuh sogar vorhergesagt. Währenddessen gießt dein Neffe Allen noch Öl ins Feuer des Grenzstreits, den du letzten März mit Benjamin Abbot hattest. Er und Ralph Farnum waren angeblich Zeugen, als du Benjamin verflucht hast. Und kurz darauf bekam er ein Furunkel am Fuß und eines an der Lende, die von Dr. Prescott aufgestochen werden mussten.«
Ich blickte hinüber zu den Grabsteinen, die auf dem Friedhof aus dem Schnee ragten. Einige neigten sich so tief, dass sie den Toten zu lauschen schienen, und mir fiel ein, wie schadenfroh Phoebe vom Streit meiner Mutter mit Benjamin Abbot erzählt hatte.
»Und nun«, fuhr Robert fort, »hat Timothy Swan auch noch in den Chor eingestimmt und will sicher sein, dass seine Krankheit von bösen Geistern ausgelöst worden ist.«
»Die einzigen bösen Geister, denen Timothy Swan je begegnet ist, sind sein eigener Schatten und mein Neffe, der in seinem Haus lebt.« Inzwischen lauschte meine Mutter nicht mehr amüsiert, sondern wurde ungeduldig, und ein gereizter Tonfall hatte sich in ihre Stimme eingeschlichen.
Doch Robert ließ sich davon nicht beirren. »Und das waren nur die Männer. Die Frauen zerreißen sich ebenfalls die Mäuler. Susannah Holt hat es sich in den Kopf gesetzt, du hättest den Wind verzaubert, damit er das Feuer von euren Feldern ablenkt und auf ihre treibt. Mercy Williams verbreitet so viele Geschichten
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