Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
und du hast ein Dorf voller friedlicher Händler und Bauern gesehen. Aber das sind wir nicht. Ist dir nicht aufgefallen, dass ein jeder von ihnen sein Schwert an der Seite trägt, auch wenn er nur zur Arbeit auf die Felder geht?«
Katharina hatte nie einen von Eriks Männern bei der Arbeit auf dem Feld gesehen, aber nun, wo sie darüber nachdachte, musste sie Edith Recht gehen. Tatsächlich hatten alle Männer,denen sie in Bjarnisund begegnet war, ständig und überall ihre Waffen getragen, und die meisten nicht nur Schwert oder Axt, sondern auch ihre Schilde und Helme. Sie hatte dieser Beobachtung keine Bedeutung zugemessen, und wenn doch, so hatte sie sie allenfalls für so etwas wie eine leicht schrullige Angewohnheit gehalten.
»Dein Großvater Erik war einst ein mächtiger Kriegsherr«, fuhr Edith fort. »Seine Krieger waren ebenso gefürchtet wie die Wulfgars. Vielleicht sogar mehr. Dass er beschlossen hat, mit diesem Leben zu brechen und hierherzukommen, macht seine Vergangenheit nicht ungeschehen, Kind.«
Und vielleicht war diese Vergangenheit auch der Grund, aus dem er letzten Endes beschlossen hatte, wieder von hier wegzugehen, dachte Katharina traurig. Vielleicht halte Edith Recht, und er hatte versucht, sich und seiner ganzen Sippe ein Leben aufzuzwingen, das wider ihre wahre Natur war.
Der Gedanke kam ihr unsagbar grausam vor, und sie hätte nichts lieber getan, als sich selbst eine törichte Närrin zu nennen, einen solchen Unsinn auch nur zu denken … aber das konnte sie nicht. Sie erinnerte sich nicht nur wieder daran, wie beiläufig Wulfgar versucht hatte, Vera zu töten. Noch viel deutlicher stand plötzlich wieder das Bild vor ihren Augen, wie grausam Erik Vater Cedric gefoltert hatte. Vielleicht waren sich die beiden Skalden ja ähnlicher, als sie zugeben wollten.
»Von hier aus sollte ich allein weitergehen, Kara«, sagte Edith ernst. »Wenn ich mich beeile, kann ich vielleicht früh genug bei Wulfgar sein, um mit ihm zu reden. Er kennt mich. Er weiß, dass ich gewiss keine Freundin Guy de Pardevilles bin, und nicht einmal des Barons. Vielleicht hört er auf mich, und dieses schreckliche Blutvergießen kann verhindert werden.« Abermals machte sie eine entsprechende Geste, als Katharina antworten wollte. »Aber nur vielleicht. Deshalb wäre es mir lieber, wenn du hierbleibst. Ich werde es dir nicht befehlen, weil ich weiß, wie zwecklos es wäre, dich zu etwas zwingen zu wollen, aber ich bitte dich darum. Wenn dein Großvater nicht auf mich hört und es zum Kampf kommt, dann könnten wir beide getötet werden.«
»Ich weiß«, antwortete Katharina, aber Edith sah sie nur noch ernster an.
»Nein, das weißt du nicht. Du bist noch viel zu jung, um wirklich zu wissen, wovon du da sprichst. Dein Leben hat ja noch nicht einmal richtig angefangen.«
Katharina schwieg, und nach einigen weiteren Augenblicken schien Edith wohl einzusehen, dass das die einzige Antwort war, die sie bekommen würde. »Aber ich werde keine Rücksicht auf dich nehmen, Kleines«, warnte sie nur. »Wenn du nicht mithalten kannst, dann ist das dein Problem.«
Katharina konnte gerade noch eine spöttische Bemerkung herunterschlucken, und das war vermutlich gut so, denn damit hätte sie sich wohl ziemlich blamiert, wie ihr schon nach kurzer Zeit klar wurde. Edith machte sich unverzüglich und ohne ein weiteres Wort auf den Weg, und Katharina hatte schon auf dem allerersten Stück ihre liebe Mühe, nicht den Anschluss zu verlieren.
Der Weg die Anhöhe auf der anderen Seite wieder hinab erwies sich als noch viel steiler und gefährlicher als der herauf, und ein gutes Stück weit mussten sie sogar klettern, was bei nahezu völliger Dunkelheit zu einem haarsträubenden (und alles andere als ungefährlichen) Unterfangen wurde. Danach wurde der Boden zwar ebener, aber kein bisschen leichter. Mal mussten sie sich durch dichtes Gestrüpp kämpfen, mal durch sumpfiges Gelände, in dem sie bei jedem Schritt bis über die Knöchel versanken, dann wieder über trockenes Grasland oder durch einen Wald, dessen Bäume so dicht standen, dass es kaum ein Durchkommen zwischen ihnen zu geben schien. Hätte Katharina nicht ohnehin schon lange nicht mehr gewusst, wo sie sich befand, hätte sie spätestens jetzt endgültig die Orientierung verloren.
Der Rhein fiel bald hinter ihnen zurück, und die Nacht wurde nicht nur dunkler, sondern auch kälter. Und es fiel ihr beinahe mit jedem Schritt schwerer, nicht den Anschluss an Edith zu
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