Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
stolperte praktisch ununterbrochen nicht nur über Wurzeln und verschlungenes Unterholz, sondern auch immer öfter über Steine und scharfkantigen Fels, der unsichtbar aus dem ebenso unsichtbaren Boden wuchs. Das letzte Stück – wahrscheinlich nur ein Dutzend Schritte, auch wenn sie ihr wie ebenso viele Meilen vorkamen – legte sie mehr auf Händen und Knien stolpernd als gehend zurück, und hätte sie nicht irgendwann einen blassen Lichtschimmer irgendwo vor und über sich wahrgenommen, dann hätte sie möglicherweise ganz der Mut verlassen; oder sie hätte sich schlichtweg verirrt.
Kaum zehn Minuten später, aber so erschöpft, als wären es zehn Stunden gewesen, stolperte sie ein gutes Stück entfernt von Edith aus dem Wald heraus und auf einen schmalen felsigen Grat, und der Anblick, der sich ihr auf der anderen Seite bot, ließ sie die Schrecknisse der zurückliegenden Minuten augenblicklich vergessen.
Die Flussbiegung lag unter ihnen, und das Bild auf dieser Seite unterschied sich so dramatisch von dem hinter ihnen, wie es überhaupt ging. Die Nacht war verschwunden, ausgelöscht von hunderten roter Lichtpunkte, die sich nicht nur am Ufer entlangzogen, sondern auch auf dem Fluss tanzten. Obwohl sie sie jetzt aus viel größerer Entfernung betrachtete, kamen ihr die beiden mächtigen Kriegsschiffe viel größer und gefährlicher vorals vorhin, und das am Ufer lagernde Heer erschien ihr mindestens doppelt so groß wie am Nachmittag, als die Reiter in einer schier endlos scheinenden Zweierreihe an ihrem Versteck vorbeigezogen waren. Edith hatte Recht, dachte sie schaudernd. Das was kein kleines Trüppchen, das man eilig zusammengestellt hatte, um einen Möchtegern-Seeräuber zu bestrafen, der einen Schritt zu weit gegangen war. Das war ein Heer, das in den Krieg zog. Dennoch war an diesem Anblick etwas, das … nicht stimmte.
»Ein beeindruckender Anblick, nicht wahr?«, sagte Edith leise. »Da kann man fast verstehen, warum so viele vom Krieg und dem Soldatenleben so fasziniert sind. Nur schade, dass die Hälfte von ihnen morgen zu dieser Zeit tot oder verkrüppelt sein wird. Und die Hälfte deiner Familie auch«, fügte sie nach einer winzigen Pause hinzu. »Wenn nicht sogar mehr.«
Katharina schwieg dazu. Was sollte sie auch sagen?
»Und Wulfgars Lager?«, fragte sie stattdessen.
Edith machte eine Kopfbewegung in die Nacht hinein. Es liegt hinter der übernächsten Flussbiegung«, sagte sie. »Eine halbe Stunde, für Guthenfels Schiffe, vielleicht zwei für die Soldaten.«
Katharina wollte etwas sagen, doch dann wurde ihr klar, was an dem Bild unter ihr nicht richtig war. »Es sind nur zwei Schiffe«, sagte sie. »Wo ist die Sturmvogel? «
»Vorausgefahren, hinter die nächste Flussbiegung«, antwortete Edith. »Zusammen mit einem kleinen Teil des Heeres, nehme ich an.«
»Aber dort werden Wulfgars Späher sie sehen!«, sagte Katharina zweifelnd.
»Und genau das sollen sie auch«, antwortete Edith grimmig.« Sie deutete auf das Heerlager hinab. »Sie werden drei oder vier Stunden vor Sonnenaufgang losmarschieren und dann landeinwärts schwenken, um sich Wulfgars Festung von derLandseite aus zu nähern und ihnen so den Fluchtweg abzuschneiden, und die Schiffe werden entsprechend später losfahren, um sich bei Einbruch der Dämmerung mit der Sturmvogel zu vereinen. Ein perfekter Hinterhalt. Dein Großvater rechnet mit einem Schiff und einer Handvoll Soldaten, und genau das zeigt Guthenfels seinen Spähern.«
»Aber in Wahrheit taucht ein ganzes Heer vor seiner Tür auf«, murmelte Katharina.
»Und ein zweites in seinem Rücken«, fügte Edith hinzu. »Sie haben keine Chance.«
Und damit hatte sie wahrscheinlich Recht, dachte Katharina schaudernd. Sie konnte sich nichts vorstellen, was diesem gewaltigen Heer dort unten hätte standhalten können. »Du kennst dich gut mit so etwas aus, wie?«, fragte sie mit belegter Stimme.
»Man ist nicht sein halbes Leben lang die Zofe und beste Freundin einer Kriegerprinzessin, ohne dass das eine oder andere hängen bleibt«, antwortete Edith.
Es dauerte einem Moment, bis Katharina wirklich begriff, was sie gerade gesagt hatte. »Kriegerprinzessin?«, wiederholte sie zweifelnd.
»Was hast du geglaubt?«, fragte Edith. »Wir sind ein kriegerisches Volk, Kara. Wir waren es immer, und tief in unseren Herzen werden wir es auch immer bleiben.« Sie schüttelte den Kopf, als Katharina widersprechen wollte.
»Ich weiß, du hast Erik kennengelernt und Bjarnisund,
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