Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
näher, ließ sich zwischen ihr und seinem Enkel in die Hocke sinken und sah sie abwechselnd und auf eine Art an, von der Katharina nicht sagen konnte, ob sie ihr gefiel.
Um ehrlich zu sein, machte sie ihr Angst.
»Ihr habt euch also schon ein wenig besser kennengelernt«, fuhr er fort, jetzt direkt an Katharina gewandt. »Aber ich muss mich für die Unhöflichkeit meines Enkels entschuldigen. Ich hatte ihm aufgetragen, sich um dich zu kümmern, aber er hat es anscheinend vorgezogen, sich aufzuspielen und dich zu beeindrucken. Es ist meine Schuld. Ich hätte bedenken müssen, dass er trotz allem noch ein Knabe ist, kein Mann.«
Katharina verstand nicht ganz, was er meinte, aber sie war sich sicher, dass es besser war, keine entsprechende Frage zu stellen, und sah den grauhaarigen Krieger nur stumm und aufmerksam an. Ansgar zog eine beleidigte Schnute.
»Hat man dich gut behandelt?«, fragte Erik, sah dann kurz auf das Fleisch in ihrer Hand und ihre fettigen Lippen und hatte sichtlich Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Katharina nickte, und Erik, der ganz offensichtlich keine andere Antwort erwartet hatte und auch nicht akzeptiert hätte, fuhr fort: »Es wird nicht mehr lange dauern. Ich habe mit Guy de Pardevilles Unterhändler gesprochen. Morgen bei Sonnenaufgang kommt ein Schiff, das dich abholt und wieder nach Hause bringt, Katharina.«
Katharina fragte sich, von welchem Zuhause er sprach. Das einzige Zuhause, das sie je gehabt hatte, existierte nicht mehr, sondern war von ihm und seinen Dämonenkriegern in einen Friedhof verwandelt worden.
Erst dann fiel ihr auf, dass er ihren Namen genannt hatte.
»Katharina?«, fragte sie.
»Katharina«, bestätigte Erik.
»Kara«, sagte Ansgar. Sowohl Katharina als auch sein Großvater ignorierten ihn.
»Guy de Pardeville ist bereit, über deine Freilassung zu verhandeln«, bestätigte Erik. Ein müdes Lächeln huschte über seine Lippen, die zumindest im Moment genauso grau und blutleer wirkten wie sein Bart und sein Haar. »Er ziert sich noch ein wenig, was die Höhe des Lösegelds angeht, aber mach dir keine Sorgen. Das tut er wahrscheinlich nur, weil er es seinem eigenen Stolz schuldig ist. Spätestens morgen Abend bist du wieder zuhause.«
Katharina konnte ihn einfach nur verwirrt ansehen. Warum sollte Guy de Pardeville – oder irgendwer? – Lösegeld für sie bezahlen?
»Was habt Ihr damit gemeint?«, fragte sie schleppend. »Dass Menschen lernen?«
»Du«, antwortete Erik. »Bei uns gibt es keinen Unterschied zwischen du und Ihr . Wir alle werden nackt und unter Blut und Schmerzen geboren, und wir werden zum gleichen Staub, wenn wir sterben. Genau wie ihr. Aber wir haben das nie vergessen.« Er seufzte müde. »Und um deine Frage zu beantworten, mein Kind: Es ist wahr. Es gab eine Zeit – und sie ist noch nicht einmal so lange her –, da war es genau so, wie du gesagt hast. Krieger aus unserem Volk sind hergekommen, um zu stehlen und zu plündern. Viel Blut ist geflossen, auf beiden Seiten, und eine Menge Unrecht wurde getan. Aber diese Zeiten sind vorbei, und wir haben gelernt, miteinander zu leben, anstatt uns gegenseitig umzubringen.«
Bis auf die zurückliegende Nacht, dachte Katharina.
»Es ist kompliziert«, sagte Erik, beinahe als hätte sie diesen Gedanken laut ausgesprochen. »Ich erwarte nicht, dass du es verstehst oder mir gar glaubst. Aber spätestens bei Sonnenaufgang bist du wieder zuhause, das verspreche ich dir. Und bis dahin«, fügte er in verändertem Ton und mit einem Seitenblick auf seinen Enkel hinzu, »wird sich Ansgar um dich kümmern. Du kannst ihm vertrauen. Wenigstens so weit, wie ich ihm traue.«
Er stand auf, indem er die Handflächen auf die Oberschenkel legte und sich auf die Weise selbst abstützte, nickte Ansgar noch einmal zu und ging schnell, aber mit müde hängenden Schultern aus dem Zelt. Irgendwie hatte Katharina das Gefühl, dass es dunkler wurde, nachdem er gegangen war.
Sie schwiegen noch eine geraume Weile, nachdem sie wieder allein waren, und ihre Gedanken kreisten noch immer um dieselbe Frage: Guy de Pardeville wollte ein Lösegeld für sie bezahlen? Warum sollte er das tun? Noch vor zwei Tagen hatte er noch nicht einmal gewusst, dass es sie gab!
»Du … äh … solltest ihn nicht allzu ernst nehmen«, sagte Ansgar schließlich. »Er hat ein paar ziemlich anstrengende Tage hinter sich.« Er grinste schief. »Morden und Brandschatzen ist ein mühsames Geschäft.«
»So war das nicht –«,
Weitere Kostenlose Bücher