Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Ende des kurzen Stegs, und ein zweites und deutlich größeres Schiff schaukelte nur eine gute Steinwurfweite hinter ihm auf den trägen Wellen. Es war von ähnlicher Bauart, aber massiger und irgendwie … finsterer . Seine Reling wurde von runden, nebeneinander aufgereihten Schilden gebildet, und an Deck bewegten sich Dutzende großer Gestalten mit bizarren Helmen und noch bizarreren Waffen, die trotz der Wärme größtenteils schwere Umhänge und Felle trugen.
Das schwere Segel, das schlaff von der Rahe hing, war nicht rot und weiß gestreift, wie das der Werdandi , sondern mit einem Wolfsschädel bestickt. Auch das kleinere Boot, das sie vorhin gesehen hatte, war nicht mehr am Steg festgebunden, sondern befand sich auf halbem Wege zu dem fremden Schiff. Es wurde von vier Männern gerudert, zwischen denen ein auffallend großer Krieger stand, der hoch aufgerichtet zu ihnen hinübersah.
Es dauerte einen Moment, bis Katharina der Fehler in diesem Gedanken auffiel: Der schwarzhaarige Krieger sah nicht zu ihnen hin, sondern zu ihr.
Im Grunde war es unmöglich. Das Boot war schon viel zu weit entfernt, als dass sie mehr als einen hellen Fleck dort erkennen konnte, wo sein Gesicht war, und umgekehrt galt dasselbe auch für ihn – aber er starrte eindeutig sie an, und das auf eine Art, dass sie sich mit jedem Moment unbehaglicher fühlte. Sie meinte seinen Blick fühlen zu können wie die Berührung einer unangenehm trockenen, fiebrigen Hand.
Und dann erkannte sie ihn.
Das war genau genommen noch viel unmöglicher. Das Gesicht des Dämons war fast zur Gänze hinter dem Visier seines barbarischen Helms verborgen gewesen, und sie hatte gesehen, wie er starb.
Und trotzdem war sie vollkommen sicher, dass der Krieger dort drüben im Boot derselbe war, der Graf Ellsbusch erschlagen hatte …
»Du hast ihn also schon gesehen«, sagte Ansgar hinter ihr.
Katharina sah nicht einmal zu ihm zurück, und sie regte sich auch nicht, als er neben sie trat. Katharina ließ den riesigen Krieger nicht aus den Augen, bis er auf das größere Schiff übergewechselt war; mit schnellen, zugleich aber auch sonderbar schwerfällig erscheinenden Bewegungen.
»Wer ist das?«, fragte sie.
»Wulfgar.« Er lachte, aber es klang nicht wirklich freundlich. »Auf ihn und eine Menge seiner Männer würde die Beschreibung zutreffen, vor der du dich so gefürchtet hast. Und das, obwohl die meisten in direkter Linie mit uns verwandt sind.« Er seufzte. »Seine Verwandtschaft kann man sich leider nicht aussuchen.«
»Das ist er«, sagte Katharina leise. Sie beobachte, wie Wulfgar mit schnellen Schritten zu dem niedrigen Zelt am Heck des Drachenbootes ging und dabei heftig gestikulierend Anweisungen gab. Dann fiel ihr auf, wie sonderbar eckig seine Bewegungen wirkten.
»Das ist wer?«, fragte Ansgar.
»Der Dämon, der Graf Ellsbusch erschlagen hat«, antworte Katharina. »Das ist er.«
Ansgar runzelte die Stirn, sah sie einen Moment ebenso nachdenklich wie stumm an und blickte dann wieder zu dem riesigen Drachenboot hin. Der Nordmann hatte seinen Helm wieder aufgesetzt und brüllte seinen Männern Befehle zu, und das laut genug, dass man es bis zu ihnen hören konnte.
»Seltsam«, sagte Ansgar. »Du hast gesagt, er wäre tot … aber für einen Toten bewegt er sich noch ziemlich gut. Und schreit auch noch sehr laut, finde ich.«
»Er war es«, beharrte Katharina. »Ich bin ganz sicher.«
Und das Schlimmste war: Sie hatte Wulfgar nicht einfach nur erkannt, sie wusste mit vollkommener Sicherheit, dass er sie ebenso erkannt hatte.
Ansgar setzte dazu an, etwas zu sagen, beließ es aber dann bei einem neuerlichen Stirnrunzeln und sah noch einmal zu dem schwarzen Drachenboot hin. Auf einen weiteren, gebrüllten Befehl Wulfgars hin senkten sich zwei Dutzend langer Ruder klatschend ins Wasser, und das Schiff begann sich schwerfällig in Bewegung zu setzen, nahm aber rasch Fahrt auf, obwohl es gegen die Strömung ankämpfen musste.
»Wenn du die Wahrheit sagst«, dann ist das eine sehr schlimme Sache«, sagte er schließlich. »Aber wenn nicht, auch. Diese Behauptung könnte dich dein Leben kosten, ob sie nun wahr ist oder nicht. Ist dir das klar?«
»Warum?«, fragte Katharina.
»Weil Wulfgar ein sehr gefährlicher Mann ist, mein Kind.«
Erik war genau so unbemerkt hinter ihnen erschienen wie sein Enkel zuvor, und er musste zumindest den letzten Teil ihres Gespräches mit angehört haben. »Was willst du über Wulfgar sagen?«
Als er nicht
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