Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Schweinestall und auf dem Feld«, sagte Katharina und fuhr sich mit den gespreizten Fingern der Linken durch ihr kurz geschorenes Haar. Tatsache war, dass das zwar stimmte, längst aber nicht der einzige Grund war, aus dem sie ihr Haar fast bis auf die Kopfhaut geschoren trug. So kurz und schmutzig, wie es fast immer war, fiel seine helle Farbe nicht so auf, aber tatsächlich war es noch ein gutes Stück heller als das des Jungen. Früher hatte sie es länger getragen – wenn auch nicht annähernd so lang wie Ansgar – aber die anderen Kinder im Dorf und nicht wenige Erwachsene hatten sie deswegen gehänselt, und vor ungefähr zwei Jahren war sie eines Morgens aufgewacht, und jemand hatte ihr das Haar so mit Schweinedreck eingeschmiert, dass sie es nur noch hatte abschneiden können. Und seither hatte sie es einfach dabei belassen; unter anderem eben auch, weil es praktisch war.
Was ihre Kleidung hingegen anging … als Ansgar die groben Hosen und das noch derbere Hemd erwähnt hatte, hatte sie ganz instinktiv die freie Hand auf die Brust gelegt, wie um den weichen Wildlederstoff zu beschützen. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nichts besessen, was so kostbar war, und so angenehm zu tragen.
Wenn man es genau nahm, dann besaß sie überhaupt nichts. Da sie weder leibliche noch richtige Pflegeeltern hatte, war sie darauf angewiesen, das zu tragen, was sie geschenkt bekam, undda die Menschen in Ellsbusch arm waren, hatte man ihr nur abgetragene Kleider gegeben; und solche, die keiner mehr haben wollte.
»Keine Angst«, sagte Ansgar. Ihre Geste war wohl sehr eindeutig gewesen. »Das Kleid kannst du auf jeden Fall behalten. Ich habe deine alten Sachen verbrennen lassen … sie haben gestunken.«
»Aber es waren meine!«, beschwerte sich Katharina.
»Bist du der Meinung, einen schlechten Tausch gemacht zu haben?«, erkundigte sich Ansgar feixend.
»Nein«, antwortete Katharina. »Aber in diesem Kleid …«
Kann ich nicht auf dem Feld arbeiten, oder im Schweinestall?, dachte sie traurig. Und das musste sie auch nicht mehr, weil es all das nicht mehr gab.
»Natürlich nur, falls dir das Kleid eines einfachen Bauernmädchens nicht zu schäbig ist«, fügte Ansgar hinzu. Diesmal hatte er ihre Gedanken so falsch erraten, wie es nur ging.
»Glaubst du, ich wäre Besseres gewohnt?«
Ansgar hob die Schultern und grinste schon wieder, aber es sah nicht wirklich echt aus, in seinen Augen war plötzlich wieder fast so etwas wie Misstrauen zu erkennen. »Das weiß ich nicht«, sagte er schließlich. »Wenn das stimmt, was du gerade erzählt hast, dann wohl kaum. Andererseits …«
»Andererseits?«, hakte Katharina nach, als er nicht weitersprach, sondern sie nur stumm ansah … und jetzt eindeutig abschätzend.
»Andererseits ist Guy de Pardeville bereit, Lösegeld für dich zu bezahlen. Das ist schon seltsam. Findet mein Großvater übrigens auch.«
Zumindest in diesem Punkt erging es Katharina nicht anders. Und es beunruhigte sie auch. Sie sagte nichts.
»In ein paar Stunden ist er ja hier, und dann können wir ihn selbst fragen«, sagte Ansgar. Er lachte. »Wenn es wirklich nureine Verwechslung ist … also ich freue mich schon auf sein Gesicht, wenn er dich sieht und erkennt, dass er gekommen ist, um Lösegeld für das falsche Mädchen zu zahlen.«
»Und was, wenn er … nicht bezahlt?«, fragte Katharina unbehaglich.
»Nehmen wir dir das schöne Kleid wieder weg und ertränken dich im Fluss«, sagte Ansgar ernsthaft. »Was hast du denn gedacht?« Er amüsierte sich einen Moment lang ganz unverhohlen über Katharinas belämmertes Gesicht, lachte plötzlich laut und stand auf.
»Was soll schon sein? Er wird dich gewiss mitnehmen, und wenn nicht, finden wir eine andere Lösung. Komm, gehen wir noch ein Stück. Ich kann dir noch eine Menge zeigen.«
Ansgar steckte die Hand aus, um ihr aufzuhelfen, und Katharina setzte dazu an, sein Angebot anzunehmen. Freya fauchte, bleckte drohend die Zähne und begann schnurrend ihre Jungen zu lecken, als sie wieder zurücksank. Ansgar machte ein überraschtes Gesicht.
Katharina zögerte einen Moment und versuchte dann, vorsichtig eines der Katzenjungen von seiner Zitze zu lösen. Diesmal blieb es nicht bei einem warnenden Fauchen. Immerhin war ihr danach klar, woher Ansgar die Schrammen auf seiner Hand hatte.
»Ja, ich glaube, du hattest Recht«, griente Ansgar.
»Womit?«, erkundigte sich Katharina missmutig, während sie ihre Hand betrachtete, auf der sich
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