Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
länger. Als sie sich herumdrehte, stellte sie erstaunt fest, wie winzig Bjarnisund unter ihr aussah. Die vier Schiffe, die ordentlich aufgereiht nebeneinander an den Stegen lagen, wirkten wie Spielzeugboote.
»Aber ich habe nicht gebeichtet«, fügte sie nach einer kleinen Weile hinzu.
»Das hätte mich auch gewundert«, sagte Ansgar. »Es gibt hier keinen Beichtstuhl, und Arla hat noch nie jemandem die Beichte abgenommen.«
Katharina drehte sich wieder zu ihm herum. »Weil ihr alle so untadelig und gottesfürchtig seid?«
»Weil sie der Meinung ist, dass kein Mensch das Recht hat, über einen anderen zu richten«, antwortete er. »Und schon gar nicht, ihm die Absolution zu erteilen …« Er hob die Schultern, sah sie einen Moment lang sehr ernst an und konnte ein breites Grinsen dann doch nicht mehr unterdrücken. »Oder so ähnlich. Du kennst Arla doch mittlerweile. Das sind eben ihre Sprüche.«
So gut kannte sie Arla eigentlich noch gar nicht … aber immerhin gut genug, um zu wissen, dass eine Antwort wie diese tatsächlich gut zu ihr gepasst hätte. Ohne es zu wollen, stimmte sie in Ansgars Lausbuben-Grinsen ein.
»Und, was gab es so Geheimnisvolles zu besprechen, das ich nicht hören durfte?«, fragte er unverblümt. Immerhin kam er schnell zur Sache.
»Eigentlich nichts«, antwortete sie. Ansgars Blick wurde nun eindeutig misstrauisch, und Katharina fuhr mit gespielter Zerknirschung fort: »Also gut. Aber es wird dir nicht gefallen.«
»Das bin ich gewohnt«, sagte Ansgar. »Nur zu.«
»Sie haben mich vor dir gewarnt«, sagte Katharina. »Ich soll dir besser aus dem Weg gehen, wenigstens solange ich ein Kleid trage, und keine Hosen. Dir wäre nicht zu trauen, was das angeht.«
Ansgar tat ihr wenigstens den Gefallen, nicht zu fragen, was genau sie mit das meinte, aber er wirkte nun ehrlich verärgert und zugleich auch ein bisschen verletzt. »Du darfst mir also wirklich nicht sagen, worum es geht«, murmelte er. »Muss ja ganz schön schlimm sein.«
Eigentlich verstand Katharina selbst nicht, warum Arla und ihr Vater ihr dieses Versprechen abgenommen hatten. Das allermeiste wusste Ansgar doch sowieso schon. Aber sie hatte ihr Wort gegeben und würde es halten.
»Wolltest du mir nicht den Thingplatz zeigen?«, fragte sie.
Ansgar schob zwar trotzig die Unterlippe vor, aber er hatte offenbar verstanden. »Du stehst drauf«, meinte er.
Katharina sah zuerst ihn, dann ihre Umgebung und dann wieder ihn verständnislos an, und Ansgar trat einen Schritt zurück und machte eine ausholende Geste mit beiden Armen. »Das hier ist der Thingplatz «, sagte er. »Und jetzt frag mich erst gar nicht, wie sie die Dinger hier heraufgekriegt haben, ich weiß es nämlich nicht.« Augenscheinlich meinte er damit die gewaltigen Steine, die Katharina schon von unten aufgefallen waren. Der kleinste von ihnen war größer als sie, und der größte beinahe doppelt so hoch und musste so viel wiegen wie ein Haus, oder sogar zwei. Was von unten wie eine willkürliche Anordnung ausgesehen hatte, das entpuppte sich von hier aus betrachtet als unübersehbar von Menschenhand arrangiert, auch wenn sie sich tatsächlich fragte, ob es wirklich Menschen gewesen waren, die diese gewaltigen Felsbrocken zu einem perfekten Kreis geformt hatten, oder nicht viel eher Riesen oder schwarze Magie. Der steinerne Ring durchmaß mindestens zwei Dutzend Schritte, und Katharina erwartete fast, in seinem Zentrum so etwas wie einen barbarischen Altar zu erblicken, oder auch einen Opferstein, aber alles, was sie sah, war ein Kreis aus verkohltem Erdreich und Asche, wo ein gewaltiges Feuer gebrannt haben musste.
»Und was genau tut ihr hier?«, fragte sie.
»Das ist ein großes Geheimnis«, antwortete Ansgar und sah sich verstohlen nach rechts und links um, als hätte er Angst, belauscht zu werden.
»Arla und mein Großvater glauben, ich wüsste nichts davon, aber ich weiß es natürlich. Einmal im Monat, immer bei Neumond, bringen sie eine Gefangene hierher, die sie von ihren Raubzügen mitbringen – am liebsten eine Jungfrau – und opfern sie unseren alten Göttern, indem sie sie bei lebendigem Leibe verbrennen.«
»Aha«, sagte Katharina säuerlich. »Und was tut ihr wirklich hier?«
Ansgar lachte. »Es ist nur ein Versammlungsplatz«, sagte er. »Die Männer treffen sich hier, um über wichtige Dinge zu beraten und manchmal die ganze Nacht zu streiten. Ich war einmal dabei, aber um ehrlich zu sein, war es einfach nur
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