Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
hing ein gewaltiges Schwert, aber anders als Pardeville hatte er den Helm abgenommen und unter den Arm geklemmt, sodass man sein schulterlanges schwarzes Haar und das glatt rasierte Gesicht erkennen konnte.
»Baron zu Guthenfels?«, murmelte Erik.
Katharina sah ihn stirnrunzelnd an, aber es war nicht Erik, sondern sein Enkelsohn, der ihre unausgesprochene Frage beantwortete.
»Baron zu Guthenfels ist unser Verbindungsmann zum Hof des Kaisers«, flüsterte er, als hätte er Angst, von den Männern an Bord des Bootes gehört zu werden, obwohl sie noch ein gehöriges Stück entfernt waren. »Er ist ein guter Freund. Ich glaube, wir haben es zum Großteil ihm zu verdanken, dass wir hier siedeln durften.«
Wenn das stimmte, dachte Katharina, warum war Erik dann so nervös?
Das Ruderboot kann näher, schlug einen unnötig großen Bogen um die Werdandi , die ihm am nächsten war, und glitt schließlich mit einem hörbaren Scharren ein Stück weit auf das Ufer hinauf, bevor es sich so sehr auf die Seite neigte, dassPardeville alle Mühe hatte, mit heftig rudernden Armen das Gleichgewicht zu halten. Katharina rechnete nun damit, dass Erik seinen Besuchern entgegengehen würde, um ihnen behilflich zu sein, oder wenigstens ein paar seiner Männer schicken, aber niemand rührte sich. Pardeville und der Baron stiegen von Bord, und zwei der vier Männer schlossen sich ihnen an, während die beiden anderen das schwere Boot wieder ins Wasser schoben und zurückruderten.
Erik rührte sich immer noch nicht, sondern sah den vier Männern mit vollkommen unbewegtem Gesicht entgegen, und je näher sie kamen, desto ruhiger wurde es ringsum. Aber es war keine gute Stille.
»Erik, mein Freund«, begann Baron zu Guthenfels, nachdem er herangekommen und in zwei Schritten Abstand stehengeblieben war. »Es ist lange her.«
»Drei Jahre«, antwortete Erik.
»Ja, die Zeit vergeht viel zu schnell«, seufzte Guthenfels. »Aber ich habe Euch ja versprochen, Euch zu besuchen.«
»Ich freue mich immer, wenn Freunde zu Besuch kommen«, antwortete Erik mit einer Betonung, die genau das Gegenteil auszudrücken schien. Guthenfels sah auch tatsächlich ein bisschen verletzt aus, aber er beließ es bei einem angedeuteten Heben der Schultern und ließ seinen Blick dann über die dicht geschlossene Reihe aus zum größten Teil bewaffneten Männern vor sich schweifen. Er sah auch Katharina an, und der Blick seiner dunklen Augen verharrte eindeutig länger auf ihrem Gesicht, als ihr lieb war.
»Empfangt Ihr Eure Gäste neuerdings immer in Waffen, Erik?«, fragte er schließlich.
»Nur wenn sie eine Armee mitbringen«, antwortete Erik kühl.
Katharina sah, wie Pardeville auffahren wollte, doch der Baron brachte ihn mit einer raschen Geste zum Schweigen, schüttelte noch einmal den Kopf und sah nun eindeutig ein bisschen traurig aus.
»Ich versichere Euch, dass es ein wenig … anders ist, als es den Anschein haben mag, Erik«, sagte er. »Aber ich will auch nicht unhöflich sein und Euch das Gefühl geben, ich hielte Euch für einen Dummkopf oder unsere Freundschaft wäre mir nichts wert. Es ist wahr: Ich bin nicht zufällig hier. Und ich fürchte, der Anlass meines Besuchs ist kein sehr erfreulicher.«
Er wartete einen Moment lang vergebens auf eine Antwort, seufzte dann noch einmal tief und wandte den Kopf, um zu dem Schiff mit all seinen Soldaten zurückzublicken. Als er sich schließlich wieder zu Erik umdrehte, lag auf seinem Gesicht ein wenig überzeugendes Lächeln.
»Es war eine lange und anstrengende Reise hierher, Erik«, sagte er. »Und sie ist noch nicht vorbei, fürchte ich. Ich bin müde, und auch ein wenig durstig. Habt Ihr noch einen Becher von diesem köstlichen Met, mit dem Ihr mich das letzte Mal bewirtet habt, Erik?«
*
Aus einem Grund, den sie selbst nicht ganz verstand, der ihr ungutes Gefühl aber beinahe in so etwas wie Panik verwandelte, hatte Eriks adeliger Gast darauf bestanden, dass Katharina sie begleitete, und so fand sie sich nach kurzer Zeit wieder an einem Tisch in dem großen Langhaus sitzend. Einmal davon abgesehen, dass Wände und Decke hier nicht aus gegerbtem Leder bestanden und weniger bewaffnete Männer anwesend waren, die nur auf einen Vorwand warteten, ihre Waffen zu ziehen und aufeinander loszugehen, hätte es sich um eine getreuliche Wiederholung ihrer ersten Nacht im Zeltlager der Wikinger handeln können, nur dass die Stimmung jetzt noch angespannter schien und ihr Herz noch schneller schlug.
Dabei
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