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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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die fleißigste obendrein. Du wirst nie über mich zu klagen haben, das verspreche ich dir!«
    »Ich werde dich daran erinnern, wenn es so weit ist«, brummte Lisbeth.
    »Wann sprichst du mit Vater? Sag, wann?«, drängte Sophie.
    Streitlustig, wie ich bin, käme mir Schwager Andreas heute gerade recht, dachte Lisbeth. Und ein wenig Bewegung würde mir auch guttun. »Jetzt gleich«, entschied sie.
    Mit ausholenden Schritten eilte Lisbeth durch die Gassen, kaum dass Sophie mit ihr Schritt zu halten vermochte. Es war einer dieser grauen Herbsttage, an denen es einfach nicht hell werden wollte. Ein gleichförmig trüber Dunst hüllte die Stadt wie in Laken, so dass man kaum zu sagen wusste, ob es früh am Morgen oder bereits später Nachmittag war.
    Unter Wappensticker hielt Lisbeth plötzlich inne und bedeutete ihrer Nichte, ebenfalls stehen zu bleiben. Ein Stück vor ihnen hatte sie eine Gestalt entdeckt, die ihr trotz des wärmenden Tuches, das sie sich um den Kopf gewunden hatte, vertraut vorkam.
    Die junge Frau trug ein Bündel auf dem Rücken und blickte sich verstohlen in alle Richtungen hin um, so als habe sie etwas zu verheimlichen. Nun trat sie zu einem der herrschaftlichen Häuser und schlug den Klopfer an die Tür.
    Nach einer Weile öffnete sich die Tür, doch die Frau mit dem Bündel wurde nicht hineingebeten. Lisbeth und Sophie sahen, wie sie ihre Last von der Schulter gleiten ließ und einen Ballen nachtblauen Tuches hervorholte. Höflich schlug sie den Ballen auf, um der Herrin des Hauses die schimmernde Seide zu präsentieren.
    Diese blickte interessiert darauf und fuhr mit der Hand in den Stoff, um die Qualität zu prüfen. Anscheinend war sie damit zufrieden, denn sie nickte.
    Lisbeth war zu weit entfernt, als dass sie hätte verstehen können, was gesprochen wurde. Vermutlich erkundigte sich die Hausfrau nach dem Preis. Die Antwort schien ihr indes nicht zu behagen, denn sie schüttelte vehement den Kopf und schlug der jungen Frau unversehens die Tür vor der Nase zu.
    Scheinbar gleichmütig faltete diese das schützende Leinentuch wieder über der Seide zusammen, verstaute den Ballen in ihrem Bündel und hievte es sich erneut auf die Schulter. Vielleicht suchte jemand hinter der nächsten Tür, ihre Seidenerzeugnisse zu kaufen.
    Als die Frau an Lisbeth und Sophie vorbeiging, hob sie kurz den Kopf. Für einen Moment traf Lisbeth ihr abweisender Blick, dann war sie auch schon an ihnen vorbeigeeilt.
    »Wer war das?«, fragte Sophie, als sie ein Stück ihres Weges gegangen waren. Das seltsame Verhalten ihrer Tante schien sie beschäftigt zu haben.
    »Clairgin van Breitbach«, antwortete Lisbeth dumpf. »Eine Seidmacherin, der leider nicht sehr viel Erfolg beschieden ist. Obwohl sie eine der besten Weberinnen der Zunft ist.«
    Lisbeth seufzte. Sie hatte gewusst, dass es um Clairgins Geschäfte nicht besonders gut stand. Doch dass die Ärmste ihre Waren von Haus zu Haus feilbieten musste wie Kram und billigen Tand, das hatte sie nicht geahnt. Ein Stand im Seidenkaufhaus war Clairgin für die geringen Mengen, die sie anzubieten hatte, wohl zu kostspielig geworden.
    Lisbeth verstand die Heimlichkeit, mit der Clairgin ihre Ware anbot. Es musste ihr so peinlich sein, dass sie dabei nicht gern gesehen werden wollte, schon gar nicht von anderen Seidmacherinnen. »Du siehst, nicht jede Seidenweberin ist vom Glück verwöhnt«, erklärte sie Sophie.
    Der Dunst über der Stadt wurde dichter und hatte einen rötlichen Schimmer angenommen. Lisbeth beschleunigte ihren Schritt, und schon bald erreichten sie das Haus Zum Kleinen Ochsen.
    Herzlich empfing Agnes ihre Schwester in der Stube. Falls sie die Abwesenheit ihrer Tochter bemerkt haben sollte, so ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Ein feines Lächeln umspielte ihre ebenmäßigen Züge, als Lisbeth ihr erklärte, sie wünsche mit ihrem Gemahl zu sprechen.
    Als Andreas in die Stube trat, war er sichtlich überrascht, dort seine Schwägerin vorzufinden. Sein Blick glitt unruhig zwischen Agnes, Sophie und Lisbeth hin und her, um dann auf seiner Schwägerin haften zu bleiben. »Was kann ich für dich tun«, fragte er.
    »Es geht um Sophie«, sagte Lisbeth geradeheraus. Sie war nicht in der Stimmung, um den Brei herumzureden.
    Andreas hob die Brauen. »Ich höre?«
    »Sophie möchte Seidmacherin werden.«
    »Das ist unnötig. Meine Tochter braucht sich ihr Brot nicht selbst zu verdienen. Sie wird eine gute Partie machen, vielleicht ehelicht sie einen Mann

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