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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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er beim Eindringen in das Hoheitsgebiet von Sankt Maria Rädelsführer gewesen war, sondern auch, dass er sich zahlreiche andere Missetaten hatte zuschulden kommen lassen, die den Bürgern und der Stadtkasse zu erheblichem Schaden gereichten. Dass der Fuchs auf einem städtischen Grundstück seinen privaten Hopfengarten angelegt hatte, war darunter das bei weitem Harmloseste.
    Spitz gab zu, dass er für seine Vergehen den Tod verdient habe, und die Schöffen fällten ihr Urteil rasch.
    Auf dem Heumarkt, gegenüber dem Sassenhof, hatte man ein Gesteiger errichtet, das Podest alsdann mit Sand bedeckt und mit schwarzen Tüchern behangen. Die Zünfte hatten sich bewaffnet, und eine große Menge Volkes war zusammengeströmt, um seinen Blutdurst zu stillen und Zeuge zu werden, wie der Fuchs seine gerechte Strafe erhielt.
    Eine Gruppe Bewaffneter bahnte sich ihren Weg durch die johlende Menge und eskortierte Spitz zu dem Gerüst, wo man inmitten von brennenden Kerzen bereits einen Sarg für seinen Leichnam bereitgestellt hatte. Der Anblick des Sarges nahm dem Fuchs die wenige Kraft, die ihm nach der Folter geblieben war. Er strauchelte, und man musste ihn die Stufen zum Gesteiger hinaufhelfen.
    Spitz erhielt die Sterbesakramente, und bleich vor Angst bat der dem Tode Geweihte die Gemeinde darum, für ihn zu beten. Dann kniete er nieder, man verband ihm die Augen, und Schwertträger Feugeler hob sein Schwert. Die Menge verstummte und hielt den Atem an.
    Die Unerfahrenheit in seinem Geschäft trachtete Feugeler mit Kraft auszugleichen. Mit schwungvollem Hieb trennte er Spitz den Kopf vom Rumpf. Jubel ertönte, um sogleich wieder vor Grausen zu verstummen: Feugeler hatte es mit der Wucht des Hiebes wohl übertrieben, denn der Kopf des Fuchses rollte unaufhaltsam über den ganzen Gesteiger und fiel an seinem Ende vom Gerüst herab in die Menge.
    Unbedacht packte ein Fassbinder das Haupt des Getöteten und warf es zurück auf das Podest. Mitsamt seinem Kopf wurde der Leichnam von Dietrich Spitz in den Sarg gelegt und auf dem Kirchhof von Sankt Martin beerdigt.
    Dem Fassbinder sollte seine unüberlegte Tat zum Verhängnis werden. Er hatte in die Arbeit des Henkers eingegriffen und war damit gleich diesem unehrlich geworden. Tags drauf schloss man ihn dafür aus seiner Zunft aus.
    Rat und Zünften wäre es mit der Hinrichtung des Fuchses genug des Blutvergießens gewesen, doch der Pöbel, der immer noch die Stadt terrorisierte, verlangte nach weiteren Sühneopfern.
    Zur Fortsetzung des blutigen Geschäftes wurde daher am nächsten Morgen auf dem Flachskaufhaus die Folterbank aufgestellt und als Erster Rentmeister Johann van Berchem peinlich befragt. Auch er war geständig und bat einzig um eine ehrenvolle Hinrichtung.
    Nachdem er die Nacht im Keller des Greven verbracht hatte, wurde er am andern Morgen vor das hohe Gericht geführt und an den blauen Stein gestoßen. Unter starker Bewachung geleitete man ihn daraufhin zum Heumarkt.
    Anders als der Fuchs, stieg der Rentmeister würdevoll auf das Blutgerüst. In ein reichbesticktes, seidenes Wams und den scharlachroten Mantel des kölnischen Bürgermeisters, des Amtes, das er fünf Mal innegehabt hatte, gekleidet, bot er noch immer eine imposante Erscheinung. Die Folter hatte den stattlichen, hochgewachsenen Mann nicht wesentlich geschwächt.
    An dem Gesteiger hatte man inzwischen ein Geländer angebracht, damit sich das grausige Schauspiel vom vorvergangenen Tag nicht wiederholen und noch einmal ein Kopf vom Blutgerüst hinunterrollen konnte. Doch die Hinrichtung des Johann van Berchem folgte ihrer eigenen Tragik, denn man hatte auch ihm zugestanden, dass er nicht mit dem Schwert des gemeinen Henkers, sondern vom Stadtschwertträger enthauptet würde.
    Kaum hatte van Berchem das Podest erklommen, als Feugeler zu ihm trat, just jener Neffe, dem er zu seinem Amt verholfen hatte. Was dem Rentmeister zuvor zum Verhängnis geworden war, geriet ihm nun zum Grauen.
    »Herr Gevatter, verzeiht mir«, sprach der Stadtschwertträger mit Tränen in den Augen, und die Umstehenden spitzten die Ohren. »Dass ich dies tun muss, tut mir herzlich leid.«
    Mit fester Stimme antwortete Berchem: »Tu du nur, was dir befohlen ist.« Er kniete nieder, ordnete die Falten seines Umhangs und machte sich bereit, den tötenden Streich zu empfangen.
    Feugeler jedoch zog zunächst sein Schnupftuch, um sich die Tränen fortzuwischen, bevor er das Richtschwert ergriff. Ihn hatte aller Mut verlassen. Endlich hob er

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