Die Tochter der Seidenweberin
aufwarten.«
»Eigentlich sollte es verboten werden«, mischte Lisbeth sich in das Gespräch der Männer.
»Was sollte verboten werden, Schwägerin?«, fragte Hans Her höflich.
»Die Seide aus Köln auszuführen.«
Imhoff schüttelte missbilligend den Kopf, doch die anderen Herren blickten Lisbeth interessiert an.
»Wenn die Seide einmal in der Stadt ist, dann könnte sie genauso gut von den kölnischen Seidmacherinnen verarbeitet werden. Viele von den kleinen Seidmacherinnen klagen, sie bekämen kaum Rohware, weil sie von den Importeuren gleich in die Hände der Verleger oder der großen Seidmacherinnen geht. Und Ihr führt sie auch noch aus. Wenn man das schlicht verbieten würde, hätten die kölnischen Seidmacherinnen vielleicht endlich genug zu weben. Zudem: Warum soll man die Seidenweber anderer Städte mit Rohware versorgen und so auch noch die eigene Konkurrenz großfüttern?«
»Da seid Ihr mit Eurem Vorschlag bei unserem neuen Ratsmitglied an der rechten Stelle«, sagte Hans Her und klopfte Herman gutmütig auf die Schulter.
»Ein solches Verbot mindert gewaltig die Ausfuhrakzise. Da wird der Stadtsäckel noch schmaler«, gab Mertyn, der bislang geschwiegen hatte, zu bedenken. »Ich weiß daher nicht, ob dein Vorschlag die Zustimmung des Rates finden wird.«
»Ah, da ist ja der neue Ratsherr!« Gesetzten Schrittes näherten sich Gerhard von Wesel und Johann Oldendorp der Gruppe um Herman.
Mertyn zog eine Miene, als schmerze ihn ein Zahn. Nicht, dass er seinem Schwager die Ratsherrenwürde missgönnte. Doch allzu gerecht fand er es nicht. Aber wenn man ein Lützenkirchen war, Seidenhändler wie der alte Peter, gleich, ob politisch ambitioniert oder nicht, so genoss man nun einmal ein anderes Ansehen als der Sohn eines Neubürgers, der er, Mertyn, war.
Lisbeth nutzte die Gelegenheit, die Gruppe um Herman zu verlassen. In der Tür des Saales waren weitere Besucher erschienen, und eben wollte Lisbeth auf sie zugehen, um sie zu begrüßen, als sie spürte, wie etwas zaghaft am Ärmel ihres Kleides zupfte.
»Duuuu – Tante Lisbeth?«
Lisbeth wandte sich um und blickte in die großen blauen Augen ihrer Nichte Sophie. »Ja, mein Schatz?«
Ernsthaft die Augenbrauen zusammengezogen, schaute die Achtjährige sie an. »Du bist aber eine richtige Seidenweberin, nicht wahr? Nicht so eine unechte wie Tante Fya?«
Lisbeth verkniff sich ein Lachen. »Tante Fya ist auch eine richtige Seidenweberin«, erklärte sie. »Aber sie arbeitet nicht mehr und hat auch keine Werkstatt.«
»Aber du hast eine richtige Werkstatt?« Schwungvoll legte Sophie den kleinen Kopf schief, dass ihre dicken Zöpfe wippten.
»Ja, die habe ich«, bestätigte Lisbeth.
Einen Moment lang kaute das Kind auf seiner Lippe und schien nachzudenken. Dann platzte es heraus: »Darf ich sie mir mal anschauen, die Werkstatt?«
»Aber natürlich! Ich würde mich sehr freuen, wenn du mich besuchen kommst«, antwortete Lisbeth.
Sophie strahlte sie an.
»Dann komme ich dich besuchen, Tante Lisbeth!«, versprach sie und hüpfte fröhlich davon.
Als Lisbeth nur wenig später die nächsten Gratulanten zu Herman führte, hatte sich das Gespräch der Herren den praktischen Seiten seiner Ratsherrenschaft zugewandt.
»Du wirst sehen, so ein Amt ist ein gewaltiger Aufwand«, unkte Andreas Imhoff. »Es schadet ganz schön dem Geschäft, wenn du drei Mal in der Woche mit den Herren zu Rate sitzt!«
Musste ihr Schwager denn alles miesreden, dachte Lisbeth verärgert, bloß weil niemand auf die Idee käme, ihn zum Ratsherrn zu machen.
Doch Herman blieb gelassen. »Es ist ja nur für ein Jahr, und ich habe doch großartige Hilfe«, entgegnete er.
Lisbeth sah, wie Stephan, der im weiteren Kreis um Herman stand, ob des unverhofften Lobes, das ihm zuteilwurde, strahlte.
»Mein Freund Alberto hier wird sich um die Geschäfte kümmern, wenn ich mich für euer aller Wohl aufopfere«, witzelte Herman und legte dem Italiener die Hand auf die Schulter. »Und wenn nötig, findet sich ja auch jederzeit ein tüchtiger Kaufmannsgeselle.«
Stephans Miene versteinerte. Er presste die Lippen zusammen und stand für einen Moment reglos da, bevor er sich abwandte, um den Saal zu verlassen.
»Es ist eine schreckliche Sünde in der Stadt.« Der Pfarrer von Sankt Peter donnerte die Worte durch das Kirchenschiff, auf dass auch der Müdeste erwache.
Gespannt reckten die Gläubigen die Hälse. Hatte man etwas verpasst? Von schwerer Sünde hörte man immer wieder gern,
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