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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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von Kerpen geheiratet.
    »Frau Ime Hofe«, sprach sie ihre einstige Lehrherrin direkt an. »Ich weiß mir keinen Rat, als Euch um Hilfe zu bitten. Gerne würde ich als Seidmacherin selbständig arbeiten. An den drei Gulden, die es kostet, soll es nicht fehlen. Doch man lässt mich einfach nicht.«
    »Wer lässt dich nicht?«
    »Die Berchem-Schwestern. Drei Mal schon war ich bei ihnen, doch sie lassen mich einfach nicht vor. Sie seien nicht zu sprechen, zu beschäftigt, leider momentan unpässlich, gerade außer Haus. Es ist zum Auswachsen!« Hilflos hob Rita die Hände. »Vielleicht könnt Ihr Euch für mich verwenden?«
    »Und ob ich das tun werde!«, erwiderte Lisbeth.
     
    »Lisbeth Ime Hofe, meine Liebe, was führt Euch zu uns? Ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr es mich gefreut hat, zu hören, dass Euer Bruder nun einen Sitz im Rat innehat.« Brigitta van Berchem erging sich förmlich in Höflichkeit und nötigte Lisbeth auf die gepolsterte Bank in der Stube des Hauses Xanten.
    »Nichts von Bedeutung«, erwiderte Lisbeth die Freundlichkeit. »Eine Formalie, sicherlich. Eines meiner Lehrmädchen, Rita von Kerpen, möchte zum Amt zugelassen werden.«
    »Zum Amt zugelassen. Ah ja.« Brigitta neigte den Kopf in höflichem Interesse, doch Lisbeth vermeinte auch eine Spur Wachsamkeit in ihrer Miene zu erkennen.
    »Rita von Kerpen.« Brigitta runzelte die Stirn, als forsche sie umständlich in ihrem Gedächtnis. »Ist sie denn überhaupt als Lehrmädchen eingetragen?«
    »Ich bin mir sicher, vor drei Jahren, als Rita zu mir kam, für sie die Einschreibegebühr entrichtet zu haben.«
    »Wie seltsam, ich kann mich gar nicht entsinnen …«
    Du falsches Biest, dachte Lisbeth. Du entsinnst dich sehr wohl an Rita. Warum sonst weigerst du dich, sie zu empfangen? Doch höflich sagte sie: »Wir können es einfach im Zunftbuch nachschlagen. Das sollte Euch keine allzu großen Umstände bereiten.«
    »Ähem. An das Zunftbuch komme ich gerade nicht heran. Es stehen schwere Kisten vor dem Zunftschrein …«
    Erstaunt hob Lisbeth die Augenbrauen. Sehr genau entsann sie sich der schweren, mit Schlössern gesicherten Truhe, die im Kontor ihres Vaters gestanden hatte, wenn er oder Fygen Amtsmeister gewesen waren. Sie war stets gut verschlossen, doch jederzeit für die Zusammenkünfte des Seidamtes verfügbar gewesen. Mit der Wahl eines neuen Vorstandes war der Schrein dann in dessen Haushalt verbracht worden.
    »… aber es ist auch nicht von Bedeutung.« Brigitta schien selbst gemerkt zu haben, wie dürftig ihre Ausrede war, und änderte ihre Taktik. Vertrauensvoll beugte sie sich zu Lisbeth vor und sagte mit gedämpfter Stimme: »Warum seid Ihr so erpicht darauf, dass sie zugelassen wird? Denkt doch einmal nach, mein Kind.« In ihre dunklen Augen schlich sich ein listiges Funkeln, das Lisbeth an einen Raubvogel gemahnte. »Natürlich will jede Seidmacherin werden. Doch je mehr Seidmacherinnen es gibt, desto weniger bleibt für uns zu verdienen. Wir müssen schön aufpassen. Wenn wir jede zum Amt zulassen, dann werden es mehr und mehr Seidmacherinnen, die uns letztlich um unser Brot bringen …«
    Wer brachte hier wen ums Brot, dachte Lisbeth erbost, doch sie zwang sich zu Ruhe. »Jahr für Jahr hören Hauptseidmacherinnen auf, ihr Gewerbe auszuüben. Sie setzen sich zur Ruhe, unterstützen ihre Männer in deren Geschäften, ziehen Kinder groß, werden krank oder sterben. Da ist es doch nur gut und richtig, wenn junge Seidmacherinnen nachwachsen.«
    Brigitta schüttelte knapp den Kopf. »Es gibt bereits jetzt mehr als genügend von uns«, sagte sie eindringlich.
    Doch Lisbeth ließ sich nicht beirren. »Kölnische Seide wird in der ganzen Welt begehrt. Ich bin sicher, es ist genug Arbeit da für mehr als noch ein zusätzliches Dutzend Seidmacherinnen.«
    »Lasst Euch versichert sein, Frau Ime Hofe …« Brigitta zog ihren Kopf zurück und richtete sich kerzengerade auf. Ihr Tonfall nahm deutlich an Schärfe zu. »Ich weiß sehr genau, was dem Wohl der Zunft dient.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause und senkte ihren Raubvogelblick tief in Lisbeths Augen. »Ihr macht sicher einen großen Fehler, wenn Ihr versuchen solltet, meinen Plänen zuwiderzuhandeln.«
    Unverrichteter Dinge verließ Lisbeth Haus Xanten. Doch so einfach würde sie sich nicht geschlagen geben. Brigitta mochte gute Beziehungen haben, doch ganz ohne Einfluss war sie selbst schließlich auch nicht.
     
    »Einen Ballen feinen englischen Wolltuches gesendet

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